Die gute Tat als Geschäftsmodell

Für die Generation der sogenannten Millennials geht ein erfülltes Arbeitsleben über die finanzielle Absicherung hinaus.

Im vergangenen Jahrzehnt hat sich der Begriff Social Business als Bezeichnung für Unternehmen etabliert, die als soziale Problemlöser agieren.

“Unsere Gerichte sind politisch, ästhetisch und kulinarisch ein Hochgenuss”, steht auf der Website des Wiener Start-ups Migrating Kitchen. Der Cateringservice, der Veranstaltungen ausrichtet und Büros mit Mittagessen versorgt, unterscheidet sich in einem wichtigen Punkt von den Mitbewerbern: Die MitarbeiterInnen, die hier im fünften Wiener Gemeindebezirk täglich frisch für ihre KundInnen kochen und backen, sind Geflüchtete und ArbeitsmigrantInnen. Hier werden sie in den Arbeitsmarkt eingegliedert und erhalten eine stabile Beschäftigung. Die Einflüsse, die sich auch in Auswahl und Zubereitung der Gerichte niederschlagen, sind “syrisch, algerisch, karibisch und aus der Steiermark”.

Migrating Kitchen gilt als sogenanntes Social Business. Der Begriff bezeichnet Unternehmen, die sich der Lösung eines gesellschaftlichen Problems verschreiben, gleichzeitig aber durchaus auf die Erwirtschaftung von Einkünften ausgerichtet sind. Gewinne werden gewöhnlich reinvestiert und höchstens zu einem kleinen Teil an Investoren ausgeschüttet.

Erstmals gefördert

Derartige Organisationen sind immer öfter anzutreffen – weltweit und auch in Österreich, wo heuer im Rahmen eines Social-Business-Calls der Förderagentur AWS erstmals einschlägige Unternehmen mit Mitteln des Sozialministeriums und der Nationalstiftung für Forschung, Technologie und Entwicklung gefördert wurden.

Pro ausgewähltes Projekt war eine nicht rückzahlbare Unterstützung von bis zu 100.000 Euro möglich. Die gesamte Fördersumme betrug drei Millionen Euro. Ein Fördermodul des Sozialministeriums widmete sich der Arbeitsmarktintegration, jenes der Nationalstiftung innovativen Produkten und Dienstleistungen im sozialen Bereich. Unter den unterstützten Projekten befindet sich auch Migrating Kitchen.

Foto: (CC BY 2.0) Nick Harrison / Pressestelle der Universität Salford

Muhammad Yunus ist Professor, Sozialunternehmer, Banker und Ökonom und wurde mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet. Foto: (CC BY 2.0) Nick Harrison/Pressestelle der Universität Salford.

Das Prinzip, das hinter den sozial orientierten Unternehmen steht, ist keineswegs neu. “Auch Raiffeisen oder die Erste Bank haben einmal als eine Art Social Business angefangen – auch wenn man sie damals nicht so genannt hat”, erklärt Peter Vandor, der an der Wirtschaftsuniversität Wien in diesem Bereich forscht. Auch bei diesen Genossenschaften gab es bereits eine starke Trennung zwischen Profitorientierung und gesellschaftlichen Zielen. “Was allerdings neu ist, ist der gesellschaftliche Diskurs, der sich im letzten Jahrzehnt rund um Social Business entwickelt hat.”

Die Entstehung dieser neuen Generation sozial ausgerichteter Unternehmen wird landläufig mit Muhammad Yunus in Verbindung gebracht. Der Wirtschaftswissenschafter aus Bengalen im heutigen Bangladesch, der als Begründer der Mikrofinanz – also der Vergabe von Kleinstkrediten an angehende Unternehmer in armen Weltgegenden – bekannt wurde, bekam 2006 den Friedensnobelpreis zugesprochen. “Yunus hat auch Social Businesses stark promotet, war damit aber bestimmt nicht der Einzige. Er wurde aber zum Posterboy einer ganzen Bewegung”, sagt Vandor.

Trend unter Millennials

Das Wirtschaftstreiben war im zurückliegenden Jahrzehnt von der Begeisterung für Start-ups geprägt. Gleichzeitig wuchs die Generation der sogenannten Millennials heran, die sich von einem erfüllten Arbeitsleben eine Sinngebung erwarten, die über finanzielle Absicherung hinausgeht. “Social Entrepreneurship kann man als Schnittmenge dieser beiden Trends sehen”, erklärt der Ökonom. Vor 15 Jahren habe man mit dem Berufswunsch Social Entrepreneur noch als Spinner gegolten, heute seien die Unis voll von Leuten, die ein soziales Projekt auf die Beine stellen wollen.

In Lehrveranstaltungen, die sich mit Social Business beschäftigen, werden Vandors Studierende von Beginn an mit realen Projekten konfrontiert. “Organisationen wie die Caritas Wien kommen mit Fragestellungen, und die Studierenden arbeiten sich dann beispielsweise daran ab, wie das Innovationsmanagement in einem derartigen sozialen Betrieb aussehen könnte”, erklärt der Wissenschafter.

© Igor Ripak/ERSTE Stiftung

Auch die ERSTE Stiftung unterstützt Non-Profit-Organisationen und Social Businesses im Rahmen der ERSTE Foundation NGO Academy während der dreiwöchigen ‘Social Innovation and Management Programmes’ an der WU Wien. Foto: © Igor Ripak/ERSTE Stiftung.

Schätzungen zufolge würde jedes dritte oder vierte Unternehmen, das neu gegründet wird, in irgendeiner Weise einen sozialen Zweck verfolgen. Laut einer Studie, die Vandor und KollegInnen im Jahr 2015 angefertigt haben, liege die Zahl von Social Businesses in Österreich bei 1200 bis 2000 Unternehmen. ExpertInnen gehen davon aus, dass diese Zahl bis zum Jahr 2025 auf das Zwei- bis Zehnfache steigt.

Flüchtlinge im Fokus

Unter den 21 Projekten, die im Rahmen des AWS-Calls gefördert wurden, zielt eine ganze Reihe auf die Arbeitsmarktintegration von Flüchtlingen ab. Sie heißen Café Namsa, Fräulein Fair, Caramel, Refugeeswork.at, Topfreisen oder eben Migrant Kitchen. “Was ich spannend finde, ist, dass viele dieser Unternehmen schon vor dem Höhepunkt der großen Flüchtlingsbewegung im Jahr 2015 gestartet sind”, erklärt Vandor. “Das zeigt, dass die Sozialunternehmen ein gutes Sensorium für aktuelle Bedürfnisse haben.”

Andere Projekte bieten Unterstützung für Obdachlose, Jugendliche mit “schlechten Startbedingungen”, SeniorInnen oder Menschen mit speziellen Bedürfnissen. Sie nutzen Technologien, um Menschen zusammenzubringen, um Bewusstsein für tabuisierte Probleme zu schaffen, oder sie machen Technologien für Menschen am Rande der Gesellschaft überhaupt erst zugänglich. Alle zusammen eröffnen sie eine Perspektive, wie ein kapitalistisches Wirtschaftsgefüge aussehen könnte, das auf die Schwächeren in einer Gesellschaft nicht vergisst.

Erstmals publiziert am 5. Dezember 2017 auf derStandard.at.

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