Corporate Volunteering

Wie Unternehmen die positiven Effekte von Freiwilligenarbeit nutzen und Ihre Angestellten motivieren.

Immer mehr Unternehmen bieten ihren Mitarbeitern an, sich im Rahmen von Corporate Volunteering ehrenamtlich zu engagieren. Freiwilligenorganisationen profitieren von helfenden Händen, Firmen von motivierten Angestellten.

Der Schlüssel zum Glücklichsein liegt in der Dankbarkeit und Hilfsbereitschaft, sagt die Glücksforschung. Die rund 3,5 Millionen Menschen, die sich laut Sozialministerium in Österreich außerhalb des eigenen Haushalts freiwillig engagieren, dürften dem einen Schritt näher sein als jene, die das nicht tun. Auch Firmen haben erkannt, dass freiwilliges Engagement ihrer Mitarbeiter dazu führen kann, dass diese motivierter und loyaler gegenüber dem Unternehmen sind. Das bestätigen auch wissenschaftliche Untersuchungen.

Daher geben in Österreich nach eigenen Angaben mehr als ein Drittel der Firmen ihren Mitarbeitern die Möglichkeit, sich im Rahmen von sogenanntem Corporate Volunteering, also betrieblicher Freiwilligenarbeit, zu engagieren. Bekannte Beispiele sind etwa die Erste Bank, deren Bankmitarbeiter bei der Zweiten Sparkasse ehrenamtlich in Kooperation mit der Caritas und der Schuldnerberatung Konten und Bankdienstleistungen für jene Menschen zur Verfügung stellen, die sonst gar keinen Zugang dazu hätten. Oder die Pharmafirma Pfizer, die bereits seit zehn Jahren Social Days betreibt, an denen ihre Mitarbeiter bei Kooperationspartnern einen Tag lang bei unterschiedlichen Projekten aushelfen. Auch während der Flüchtlingskrise konnten viele Unternehmen ihr Image aufbessern, als sie mit Zeit- und Sachspenden den Ankommenden halfen. Flüchtlingshilfe gegen Arbeitgeberattraktivität? Klingt erst einmal mehr nach Marketingstrategie als nach ehrlich gemeinten Projekten. Das mag im einen oder anderen Fall auch zutreffen.

Ernsthaftigkeit erkennen

Doch insbesondere dann, wenn es für beide Seiten eine Win-win-Situation gibt, etwa durch einen Wissenstransfer auf Augenhöhe, ist Corporate Volunteering eine gute Möglichkeit, sagt Michael Meyer, Leiter des Instituts für Non-Profit-Management an der Wirtschaftsuniversität Wien. Beispiele dafür wären etwa Pro-bono-Dienstleistungen wie kostenlose Rechtsberatung oder wenn eine IT-Firma eine Homepage für eine NGO aufbaut. Auch am Umgang mit dem ehrenamtlichen Engagement der Mitarbeiter in ihrer Freizeit lasse sich die Ernsthaftigkeit erkennen. „Wenn eine Firma sich engagiert, aber dann, wie es etwa bei der Flutkatastrophe der Fall war, ihren Mitarbeitern erschwert, freiwillig Hilfe zu leisten, und diese dann Urlaub nehmen müssen, ist das ambivalent“, sagt Meyer.

Dennoch, die meisten Unternehmen scheinen es ernst zu meinen. Alexander Tröbinger, Pressesprecher des Wiener Roten Kreuzes und dort auch zuständig für Corporate Volunteering, sieht den Grund dafür darin, dass „es in vielen wirtschaftlich erfolgreichen Unternehmen zum Leitbild gehört, etwas an die Gesellschaft zurückzugeben. Wenn es der Firma nicht so gut geht, wird dort aber auch als Erstes eingespart.“ Trotzdem würden immer mehr Firmen auf den Zug aufspringen, sagt Michaela Neumayr, die gemeinsam mit Meyer an der WU zu diesem Thema forscht. „Der Trend hält an, Non-Profit-Organisationen berichten davon, dass sie häufiger Anfragen bekommen.“ Am beliebtesten seien Social Days, am häufigsten finden diese im Sozialbereich statt.

„Wir wollen dabei vermeiden, dass eine Wand zum fünften Mal angestrichen wird, daher versuchen wir, individuelle, passende Projekte anzubieten.“

— Alexander Tröbinger, Pressesprecher des Wiener Roten Kreuzes

„Wir wollen dabei vermeiden, dass eine Wand zum fünften Mal angestrichen wird, daher versuchen wir, individuelle, passende Projekte anzubieten“, sagt Tröbinger. Etwa schauen die Klienten der Wohnungslosenhilfe gern gemeinsam Spiele der Fußball-Weltmeisterschaft. Bei einem Social Day bereiten Mitarbeiter einer Firma zusammen mit den Wohnungslosen eine Jause vor und schauen sich ein Match an. „Solche Tage sind, aufgrund der Koordination und weil der Umgang mit den Klienten geschult werden muss, für uns die größte Herausforderung“, sagt Tröbinger. Auch langfristige Kooperationen mit fünf bis zehn Unternehmen hat das Wiener Rote Kreuz. „Da kommen einige Stunden zusammen, die uns sehr helfen. Viele Projekte wären ohne diese Freiwilligen gar nicht machbar.“

© Wiener Rotes Kreuz/Hechenberger.

Verteilen statt Verschwenden: Die 400ste Ausgabe der Team Österreich Tafel fand im Februar 2018 statt. Die gespendeten Lebensmittel und Waren werden von Freiwilligen abgeholt, sortiert und an Bedürftige verteilt. Insgesamt wurden knapp 1.200 Tonnen von mehr als 12.000 Freiwilligen an 293.000 Menschen verteilt. Foto: © Wiener Rotes Kreuz/Hechenberger.

Stadt-Land-Gefälle

Besonders in den Städten würden viele Firmen solche Angebote machen, sagt Michael Meyer. Denn in der Freiwilligenarbeit zeigt sich ein deutliches Stadt-Land-Gefälle. Während auf dem Land etwa das Rote Kreuz, die freiwillige Feuerwehr oder Nachbarschaftshilfe keine Probleme haben, Helfer zu finden, sieht es in der Stadt, wo das Freizeitangebot deutlich breiter ist, schwieriger aus. Daher ist Corporate Volunteering auch eine Möglichkeit, wie Non-Profit-Organisationen im urbanen Raum an Freiwillige kommen, die sich dann auch darüber hinaus engagieren. Diese Strategie verfolgt zumindest das Rote Kreuz, wie Alexander Tröbinger sagt.

Abgesehen davon seien solche Projekte „Mindset-erweiternd“ und fördern das Teambuilding. Michael Meyer sieht darin auch eine Möglichkeit der „innovativen Personalentwicklung, wenn es zu einem Know-how-Transfer kommt. Dennoch: „Corporate Volunteering ist nicht die Lösung für alle Probleme, sondern muss wirklich passen. In manchen Fällen kann eine Geldspende sinnvoller sein als eine Zeitspende“.

Erstmals publiziert am 11. Juni 2018 auf derStandard.at.

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