„Wichtig ist jetzt Vernetzung.“

Ruth Simsa über die aktuelle Situation für NGOs in Österreich.

Ruth Simsa gilt als eine der wenigen wissenschaftlichen Expertinnen, wenn es um die Zivigesellschaft Österreichs geht. Sie ist NGO-Forscherin an der Wirtschaftsuniversität Wien und hat eine Reihe von Forschungsprojekten über die gesetzlichen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen sowie die Wirkung von Zivilgesellschaft durchgeführt. In diesem Gespräch erklärte sie Christine Tragler, wie sie die aktuelle Situation für NGOs in Österreich sieht.

NGOs sind weltweit unter Druck. Was hat sich in Österreich verschlechtert?

Es hat sich zunächst die Sprache geändert. Diffamiert werden vor allem politisch orientierte NGOs. Gemeinnützigkeit ist im Regierungsprogramm klein geschrieben. Es ist zu befürchten, dass sich die Rahmenbedingungen für NGOs verschlechtern. Durch eine Politik, die soziale Ungleichheit verstärkt, wird der Bedarf an sozialen Leistungen, die durch NGOs erfüllt werden, dabei zunehmen.

Welche gesellschaftlichen Funktionen übernehmen NGOs in Österreich?

Sie stärken gesellschaftliche Vielfalt, Partizipation und Innovation. Sie haben Auswirkungen auf das politische Klima in der Gesellschaft, indem sie soziale Werte wie Solidarität und Verantwortung leben und damit einer Ideologie entgegenwirken, die eher auf Eigennutz und das Überleben des Stärkeren abzielt.

NGOs sind oft eine Art Feuermelder der Gesellschaft. Sie weisen auf Themen und Probleme hin, die sonst gerne ausgeblendet werden. Mit ihren sozialen Leistungen haben NGOs massive Bedeutung im Alltagsleben vieler Menschen.

Ruth Simsa

Ruth Simsa ist außerordentliche Professorin am Institut für Institut für Soziologie und Empirische Sozialforschung, leitet das Institut für interdisziplinäre Nonprofit-Forschung und ist wissenschaftliche Leiterin des Kompetenzzentrum für Nonprofit Organisationen und Social Entrepreneurship, alles an der Wirtschaftsuniversität Wien.

Welche politischen Rahmenbedingungen brauchen NGOs?

Ein gut ausgebauter Sozialstaat ist vor allem für Organisationen im Sozialbereich eine wichtige Voraussetzung. Für ihre Arbeit brauchen NGOs außerdem Meinungsfreiheit und Rechtssicherheit.

Warum ist eine starke Zivilgesellschaft jetzt besonders gefragt?

Eine starke Zivilgesellschaft kann ein Gegengewicht zu autoritären Entwicklungen darstellen. Sie kann Veränderungen anstoßen und gesellschaftliches Vertrauen stärken. Die Zivilgesellschaft kann Aufgaben niederschwellig und flexibel erfüllen. Sie füllt oft Lücken der staatlichen Angebote.

Wie soll ein demokratischer Staat mit seinen KritikerInnen umgehen?

Von Winston Churchill stammt der schöne Spruch: „Protect the Rebel“. Ein demokratischer Staat soll seine Kritiker schützen und im gegebenen Fall auch finanzieren. So wird Vielfalt, Offenheit und gesellschaftliches Lernen gefördert.

Was raten Sie NGOs angesichts der derzeitigen Entwicklungen?

Wichtig ist jetzt Vernetzung. Zentrale Forderungen müssen mit einer gemeinsamen, starken Stimme erhoben werden. Kleinere, politischere NGOs brauchen jetzt die Unterstützung durch größere. Auch sollte Advocacy, also der anwaltschaftliche Dialog mit Entscheidungsträgerinnen und Meinungsmachern, nicht aufgeben werden, da damit eine wichtige Funktion der Zivilgesellschaft verloren ginge.

Erstmals publiziert im Südwind Magazin 2/2018 und online auf suedwind-magazin.at.

Dieser Text ist urheberrechtlich geschützt. © Christina Tragler. Bei Interesse an Wiederveröffentlichung bitten wir um Kontaktaufnahme mit der Redaktion.
Urheberrechtliche Angaben zu Bildern, Grafiken und Videos sind direkt bei den Abbildungen vermerkt. Infokasten: Ruth Simsa. Foto: © Michael Schmid. Titelbild: TeilnehmerInnen des Social Innovation and Management Programme der ERSTE Foundation NGO Academy bei einer Arbeitsaufgabe während eines Workshops auf der WU Wien. Foto: © Igor Ripak/ERSTE Stiftung.

Vom Umgang mit unliebsamen Stimmen

“Vom Leben im Krieg für den Frieden lernen.”

“Proletarier aller Länder, wer wäscht eure Socken?”

“Zeit, Wachstum neu zu denken”

“Es sind die Eliten, die sich gegen die Demokratie wenden, nicht das Volk.”

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