Riesendrama in der Politik

Slowakei vor den Wahlen zum Europäischen Parlament

Die spannungsgeladenen Präsidentschaftswahlen in der Slowakei vergangenes Monat unterstrichen die Bedeutung der rechtsextremen Politik des Landes, auch wenn letzten Endes progressive Grundsätze den Sieg davontrugen. Zuzana Čaputová wurde zum jüngsten Staatsoberhaupt und außerdem als erste Frau in dieses Amt gewählt. Wenig überraschend stellte die Spannung jegliche mediale Berichterstattung über die Europawahl in den Schatten, bei der von einer Wahlbeteiligung weit unter 20 Prozent auszugehen ist.

In der Slowakei sind die Wahlen zum Europäischen Parlament nach zwei eher hitzigen und spannungsgeladenen Runden der hiesigen Präsidentschaftswahl auch weiterhin von zweitrangiger Bedeutung. Dennoch könnte das Ergebnis der ersten Runde ein Indiz für den Ausgang der Wahlen im Mai sein. Der Rechtsextreme Marian Kotleba und der „unabhängige“ Štefan Harabín, den Experten für einen Liebling kremlfreundlicher Desinformationskanäle halten, erhielten zusammen etwa 25 Prozent der Stimmen. Das ist insofern alarmierend, als Unterstützer extremistischer Parteien, was die Wahlbeteiligung betrifft, häufig disziplinierter und mobilisierter sind als jene gemäßigterer Gruppierungen. Außerdem verzeichnet die Slowakei regelmäßig die niedrigste Wahlbeteiligung bei Europawahlen – durchschnittlich weniger als 20 Prozent.

In der Slowakei sind die Wahlen zum Europäischen Parlament von zweitrangiger Bedeutung.

Zuzana Čaputová, Gründungsmitglied der sozialliberalen, europafreundlichen Partei Progressive Slowakei, wurde schließlich zum jüngsten Staatsoberhaupt und außerdem als erste Frau in dieses Amt gewählt. Dennoch wird die Slowakei vermutlich wie andere europäische Länder auch erneut extremistische, EU-feindliche Kandidatinnen und Kandidaten in das Europäische Parlament entsenden – trotz eines insgesamt moderaten und überwiegend proeuropäischen politischen Klimas. Genau genommen ist die Slowakei wahrscheinlich das moderateste Land der vier Visegrád-Länder.

Wie kann die Wahlbeteiligung so niedrig sein?

Die Wahlbeteiligung bei den EU-Wahlen war in der Slowakei in der Vergangenheit auffallend niedrig – ein Trend, der sich fortsetzen dürfte. Entscheidend hierbei ist, dass Europaparlamentariern ein eher distanziertes Verhältnis zur slowakischen Politik nachgesagt wird und sie meist in Vergessenheit geraten, sobald sie im eigenen Land nicht mehr politisch aktiv sind. Die Kandidatinnen und Kandidaten werden von den Parteien auch als eine Form von Belohnung nominiert; das betrifft entweder weniger prominente Politikerinnen und Politiker oder solche, die aus einer politischen Spitzenposition ausgeschieden sind. Besonders despektierlich werden die hohen Vergütungen der Mitglieder des Europäischen Parlaments (MdEP) in einem Land betrachtet, in dem der Durchschnittslohn einen Bruchteil des Gehalts eines MdEP ausmacht. Tatsächlich wird den Kandidatinnen und Kandidaten zumeist vorgeworfen, sie würden versuchen, nach Brüssel zu „flüchten“, um dort nichts anderes zu tun, als viel Geld zu verdienen.

Mobilisierung der Wählerschaft

Die vielleicht originellste Kandidatur dieses Jahr war wohl die des Unternehmers Igor Matovič, dem Vorsitzenden der bekannten Oppositionspartei OĽANO, der angekündigt hat, sein Mandat nicht anzunehmen, sollte er gewählt werden – aus Protest, wie er sagt, gegen die US-Außenpolitik gegenüber Europa und dem Rest der Welt. Seine Behauptung tut jedoch nichts zur Sache. Viel wichtiger ist, dass seine Bereitschaft, auf das hohe Gehalt zu verzichten, in der Slowakei mit Sympathie aufgenommen wird. Und so scheinen seine Chancen auf „Erfolg“ im Interesse der Gewöhnlichen Leute und Unabhängigen Persönlichkeiten, wie der Name seiner Partei übersetzt heißt, gut zu stehen.

Extremisten könnten mehr Sitze im EU-Parlament erhalten, als sie verdienen.

Der zweite wichtige Oppositionsführer des Landes Richard Sulík steht an der Spitze der Partei Sloboda a Solidarita (Freiheit und Solidarität), die im Europäischen Parlament der EKR-Fraktion angehört. Er hat jedoch versprochen, sich aus der europäischen Politik zurückzuziehen und stattdessen für die Ende des Jahres bzw. Anfang 2020 anberaumten slowakischen Parlamentswahlen zu kandidieren.

Es scheint, als würde den Debatten zur Europapolitik in den slowakischen Medien weiterhin nur eine marginale Bedeutung beschieden. Die einzige Chance auf eine höhere Wahlbeteiligung läge in der Mobilisierung einer europafeindlichen Wählerschaft, die die gemeinsame Führungsposition der slowakischen Sozialdemokraten und der in der EKR vertretenen Parteien gefährden oder schwächen könnte. Danach sieht es derzeit nicht aus, aber wenn dem so wäre, gäbe es eine kleine Chance auf eine Wahlbeteiligung von mehr als 20 oder 25 Prozent.

Original auf Englisch. Erstmals publiziert am 19. April 2019 auf Eurozine.
Aus dem Englischen von Barbara Maya.


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Mood of the Union

Die Serie Mood of the Union sammelt Artikel zur Wahl zum Europäischen Parlament aus allen 28 EU-Mitgliedstaaten. Die Serie wird von der ERSTE Foundation und dem National Endowment for Democracy unterstützt.

In der Serie The Mood of the Union berichten Redakteure des Magazins Eurozine über die Lage in der gesamten Europäischen Union und diskutieren mit Journalisten und Analysten die Einstellungen zu den EU-Wahlen und über das, was auf nationaler Ebene auf dem Spiel steht. Ziel der Serie ist es, über die Berichterstattung nationaler Medien hinaus, einen detaillierteren Einblick in die Stimmung vor Ort zu liefern. Die Serie wird von Agnieszka Rosner kuratiert und vom mitwirkenden Redakteur Ben Tendler editiert.

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