In Lettland vertritt keine der zur Wahl stehenden etablierten Parteien eine euroskeptische Linie, da man davon ausgeht, dass dies die Position Lettlands im Westen und somit die Sicherheit des Landes gefährden könnte.
In Lettland führt keiner der Hauptanwärter auf einen Sitz im Europäischen Parlament einen euroskeptischen Wahlkampf. Auch unter den kleineren Parteien ist ein Austritt aus der Europäischen Union vermutlich nicht viel mehr als ein Gedankenspiel.
Die wichtigsten politischen Parteien Lettlands, von denen keine einen Anreiz darin sieht, die Populismuskarte zu spielen, lassen sich grob in drei Gruppen unterteilen. Für die den liberalen Werten des Westens am stärksten verpflichteten Gruppierungen – Neue Einigkeit und Entwicklung/Für! – käme dies überhaupt nicht in Frage, und ihre Zielgruppe wird auch am ehesten zur Wahl gehen.
Für jene Parteien, die mehr oder weniger explizit traditionelle Werte vertreten und gegen Einwanderung zu Felde ziehen – die Nationale Allianz, die Neue Konservative Partei, das Bündnis der Grünen und Bauern – gibt es kaum Grund zum Jammern. Aus dem Nahen Osten oder Afrika kommen nur wenige Migranten nach Lettland. Das Parlament hat sich geweigert, die Istanbul-Konvention zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und den Globalen Pakt für eine sichere, geordnete und reguläre Migration – doch recht untypische symbolische Brennpunkte im populistischen Kulturkampf – zu ratifizieren. Für diese Parteien würde sich eine vehemente Euroskepsis wohl als Bumerang erweisen, da man davon ausgeht, dass dies die Position Lettlands im Westen und damit auch die Sicherheit des Landes gefährden könnte.
Die Parteien, die in erster Linie von der russischstämmigen Bevölkerung unterstützt werden – Harmonie und die Russische Union Lettlands –, setzen zu ihrem eigenen Vorteil auf eine EU-freundliche Politik. Die Partei Harmonie hat sich kürzlich den europäischen Sozialisten angeschlossen und ist nun intensiv darum bemüht, in deren Reihen ihren Platz zu finden. Die Russische Union Lettlands sieht im Europäischen Parlament eine wirksame Plattform zur Durchsetzung außenpolitischer Positionen, die mit jenen des Kremls konform gehen. Beide erachten die lettische EU-Mitgliedschaft als ihren Zielen dienlich.
Zwei Faktoren werden die Wahl im Mai bestimmen: die höhere Wahrscheinlichkeit, dass proeuropäische Wählerinnen und Wähler zu den Urnen gehen und die unterschiedliche Popularität der Spitzenkandidatinnen und -kandidaten.
Original auf Englisch. Erstmals publiziert am 2. Mai 2019 auf Eurozine.
Aus dem Englischen von Barbara Maya.
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Mood of the Union
Die Serie Mood of the Union sammelt Artikel zur Wahl zum Europäischen Parlament aus allen 28 EU-Mitgliedstaaten. Die Serie wird von der ERSTE Foundation und dem National Endowment for Democracy unterstützt.
In der Serie The Mood of the Union berichten Redakteure des Magazins Eurozine über die Lage in der gesamten Europäischen Union und diskutieren mit Journalisten und Analysten die Einstellungen zu den EU-Wahlen und über das, was auf nationaler Ebene auf dem Spiel steht. Ziel der Serie ist es, über die Berichterstattung nationaler Medien hinaus, einen detaillierteren Einblick in die Stimmung vor Ort zu liefern. Die Serie wird von Agnieszka Rosner kuratiert und vom mitwirkenden Redakteur Ben Tendler editiert.