Rückkehr nach Osteuropa
Caroline Hornstein Tomić, Robert Pichler und Sarah Scholl-Schneider über Hoffnung und Wirklichkeit von Menschen, die in ihre Heimat zurückkehren.
Heimkehrende Migranten waren in ganz Ost- und Südosteuropa Teil postsozialistischer Transformationsprozesse. Sie engagierten sich in Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Bildung, Kunst und Zivilgesellschaft und nahmen Einfluss auf Staatenbildung, das Werden der Nationen und auf sozialen und kulturellen Wandel.
Rückkehr handelt jedoch nicht nur von Erfolgsgeschichten, sondern ebenso von gescheiterter Integration, Marginalisierung, fehlender Teilhabe und verlorenem Potenzial – nur wenige dieser Geschichten sind bekannt. Caroline Hornstein Tomić, Robert Pichler und Sarah Scholl-Schneider beleuchten in ihrem gemeinsam herausgegebenen Buch Remigration to Post-Socialist Europe. Hopes and Realities of Return Rückwanderung und ihre Folgen in mehreren ost- und südosteuropäischen Ländern dank einer Vielzahl unterschiedlicher Beiträge aus einem multidisziplinären Blickwinkel. Mit Manuel Oberlader sprachen sie über die Ergebnisse ihres Forschungsprojekts.
Sie untersuchten die Rückkehr von Migranten ins postsozialistische Europa. Was ist das Besondere an diesem Raum?
Robert Pichler: Die Spezifik dieses Raumes steht untrennbar mit dem Zweiten Weltkrieg, der nationalsozialistischen Aggression und ihrer Niederschlagung durch die Rote Armee, die Alliierten und die Widerstandsgruppen in der Region in Zusammenhang. Erst dadurch wurde die kommunistische Machtübernahme nach dem Zweiten Weltkrieg möglich. Ohne diesen gravierenden Einschnitt ergäbe es keinen Sinn, diese Region als Ganzes zu betrachten. Die ideologische Spaltung Europas hat die Migrationsgeschichte der Region vielschichtig und nachhaltig geprägt. Flucht, Vertreibung und erzwungene Auswanderung von zwölf bis 14 Millionen Deutschen aus den vormals von ihnen besiedelten bzw. okkupierten Territorien sowie die damit einhergehenden Umsiedlungen und Bevölkerungsverschiebungen in den betroffenen Staaten haben die demographische Landkarte, aber auch die sozialen und politischen Entwicklungen dauerhaft verändert. Von Flucht und Vertreibung waren aber auch lokale Kollaborateure, Mitläufer, Oppositionelle, nichtkommunistische Widerstandsgruppen sowie dezidierte Antikommunisten betroffen. Diese Fluchtbewegungen setzten sich im Verlauf der kommunistischen Herrschaft in zahlreichen Ländern etappenweise fort, in der DDR im Gefolge des Aufstandes 1953, in Polen und Ungarn 1956, in der Tschechoslowakei 1968, in Polen 1980. Der blutige Zerfall Jugoslawiens hat neuerlich zu großangelegten Flucht- und Vertreibungsbewegungen geführt, aus dieser Zeit stammt auch der Begriff der „ethnischen Säuberung“.
Remigration to Post-Socialist Europe: Hopes and Realities of Return
Obwohl Migration im europäischen Diskurs ein Dauerthema darstellt, kommt dem Teilphänomen der Rückkehrmigration im öffentlichen, politischen oder wissenschaftlichen Diskurs kaum Bedeutung zu.
Caroline Hornstein-Tomić, Robert Pichler und Sarah Scholl-Schneider beleuchten in ihrer gemeinsam herausgegebenen Publikation Remigration to Post-Socialist Europe: Hopes and Realities of Return Rückwanderung und ihre Folgen in mehreren Ost- und Südosteuropäischen Ländern aus einem multidisziplinären Blickwinkel.
Nach Gendering Post-Socialist Tradition und SEE! Urban Transformation in Southeastern Europe stellt die Publikation den dritten Teil der Reihe ERSTE Foundation Series dar.
Titelbild Infobox: Das Hausboot eines Rückkehrers (Fieri, Albanien, 2008). Foto: © Robert Pichler
Vertreibung und Flucht haben sich tief in die Biographien der Betroffenen eingeschrieben und bleiben auch für deren Nachkommen ein zentrales Thema. Diasporagruppierungen und Vertriebenenverbände halten die Erinnerung an die Leiden der Vertreibung wach und kultivieren oft eine verklärte und nostalgische Sicht auf die verlorene Heimat.
Das Motiv der Rückkehr spielt dabei immer eine zentrale Rolle, sowohl als Sehnsucht nach Anknüpfung an die Zeit vor der Vertreibung, als auch als Streben nach Wiedergutmachung oder Wiederherstellung der alten Ordnung. Diese Gruppierungen sind naturgemäß sehr unterschiedlich. Das Spektrum reicht von radikalen, revisionistisch und revanchistisch ausgerichteten Kreisen bis hin zu liberal-demokratisch gesinnten Kräften.
Die Jahrzehnte der kommunistischen Herrschaft in unterschiedlich autoritären Regimen haben tiefe Spuren hinterlassen, sowohl in den Ökonomien als auch in den Gesellschaften der Region. Die Abschließung gegenüber dem Westen (mit Ausnahme Jugoslawiens) und die verschiedenen sozioökonomischen Entwicklungen haben das Migrationsverhalten nachhaltig geprägt. Die gewaltigen Migrationsprozesse, die nach der „Wende“ einsetzten, lassen sich nur vor diesem Hintergrund begreifen.
Das Hauptaugenmerk der Forschung (und der Öffentlichkeit) richtete sich lange Zeit vorwiegend auf die Folgen der Auswanderung für die westlichen Gesellschaften. Rückkehrprozesse, wie diese vonstattengingen, welchen Umfang sie hatten, mit welchen Herausforderungen Remigranten zu kämpfen hatten und welche Potentiale sozialer, ökonomischer und politischer Natur damit verbunden waren, blieben weitgehend unterbelichtet.
Welche Auswirkungen hatte Rückkehrmigration auf die Entwicklung Osteuropas seit 1989?
Caroline Hornstein Tomić: Rückkehr ist so vielgestaltig wie die ihr vorausgegangene ursprüngliche Migration. Wie es unterschiedliche Typen von Migranten gibt, so gibt es auch unterschiedliche Typen von Rückkehrern: politische Emigranten und Dissidenten, Kriegs-Flüchtlinge, Arbeitsmigranten, Ausbildungs- und Karrieremigranten. Manche kehren nach Jahrzehnten in der Diaspora, manche nach wenigen Jahren wieder an einen Ausgangs- oder Herkunftsort zurück. Rückkehr ist außerdem kein linearer Prozess. Nicht jeder bleibt, viele brechen erneut auf, kehren wieder dorthin zurück, von wo sie gekommen sind, ziehen weiter, oder etablieren transnationale Lebensformen mit doppeltem oder mehreren Wohnsitzen. Die Möglichkeit der Rückkehr, die mit dem Zusammenbruch des Kommunismus plötzlich gegeben war, hat in der Frühphase des politischen Wandels zwar hier und dort erkennbare Rückkehr-Wellen ausgelöst, und unter den ersten Rückkehrern waren damals nicht wenige politische Emigranten, die die Zeit gekommen sahen, den politischen Wandel mitzugestalten.
Aber auch Angehörige der zweiten Generation und Nachkommen früherer Auswanderer nahmen die Übergangsphase zum Anlass ihr Glück in der Heimat der Eltern oder Vorfahren zu suchen. Nirgendwo aber hielt diese frühe Rückkehr-Welle dauerhaft an oder war zahlenmäßig herausragend. Der EU-Beitritt und Förderprogramme zur Ausbildungs- und Karrieremigration für Staatsbürger von Nicht-EU-Ländern, etwa am westlichen Balkan oder in der Östlichen Partnerschaft, haben dann in einer späteren Phase des Übergangs nach der Millenniumswende heftige und anhaltende Migrationsschübe vor allem von jungen Leuten und Fachkräften ausgelöst. Deren Auswirkung auf die Transformationsprozesse wird zunehmend spürbar, weil die Rückkehr dieser Gruppen weitgehend ausbleibt. Der Brain-Drain und die derzeitige Arbeitsmigration, die vielerorts die ohnehin schon alternden Gesellschaften des östlichen Europas vor allem im ländlichen Raum sich selbst überlassen, führt dazu, dass die junge, in der Regel veränderungsfreudige und dynamische Bevölkerungsgruppe dahinschwindet und der ohnehin nur partiell erkennbare Generationen- und Elitenwechsel stagniert.
Die Beiträge unseres Bandes beleuchten konkrete Orte oder soziale Felder, wo das Wirken von Zurückgekehrten sichtbar wird. Aus ihrer Perspektive als lokale Akteure lassen sich Dynamiken der Transformation gut veranschaulichen. Mancherorts ziehen Rückkehrer aus der eigenen Migrationserfahrung ökonomischen Nutzen, indem sie Dienstleistungen für andere Migrierende anbieten und damit die transnationale Mobilität erleichtern, einschließlich der Rückkehr. Migrationserfahrungen können Statusgewinne in lokalen Gemeinschaften mit sich bringen, für Einzelne wie für Gruppen, etwa für migrierte Minderheiten, die nach ihrer Rückkehr höhere soziale Anerkennung erfahren und mit gestärktem Selbstbewusstsein Teilhabe reklamieren.
„Nur in seltenen Fällen wurden Rückkehrer als Impulsgeber und Mitgestalter für Transformationsprozesse begriffen.“
Nur in seltenen Fällen wurde die Rückkehr von Emigranten (aus der Diaspora) strategisch und nachhaltig gefördert, ihr Potenzial als Impulsgeber und Mitgestalter für die Transformationsprozesse begriffen; vereinzelt nur wurden neue Institutionen und damit Stellen geschaffen oder politische Ämter mit Zurückgekehrten besetzt. Konkurrenzlagen, institutionelle Behinderungen, Abwehrreaktionen sind eher die Regel; Vorbehalte gegenüber Rückkehrern, die ebenso stereotypisiert werden wie sie wiederum das Lokale oder die Einheimischen stereotypisieren.
Sie beschreiben die Sehnsucht nach der Heimat als „paradigmatischen Gegensatz zur Migrationserfahrung“. Ist diese Sehnsucht das zentrale Motiv für die Rückkehr? Oder spielen auch ökonomische Beweggründe eine Rolle? Oder die Familie?
Robert Pichler: Zweifellos spielt die Sehnsucht nach Heimat für viele Migranten eine entscheidende Rolle, wenn es um Rückkehr geht. Dieses sehr alte und kulturell tief verankerte Motiv kommt vor allem dort zum Tragen, wo Migration durch Zwang erfolgte. Menschen, die gezwungen wurden, ihre Heimat zu verlassen, die vertrieben wurden oder geflüchtet sind und die keine Möglichkeit haben, zurückzukehren, entwickeln eine besonders ausgeprägte Sehnsucht nach ihrer verlorenen Heimat. Im Exil wird Heimat häufig verklärt, nationale Mythen erzielen eine stärkere Wirkung als im Herkunftsland selbst und Veränderungen in der Heimat werden ausgeblendet oder grundsätzlich abgelehnt. Das eigene Denken und Handeln wird stark von historischen Bezügen geleitet. Dieser Zustand kommt sehr gut im Wort „Heimweh“ zum Ausdruck, das eine tief verankerte Sehnsucht in sich trägt, an die verlorene Vergangenheit anzuknüpfen. Darin liegt auch einer der Gründe, weshalb das Verharren im Dunst von Heimat in erster Linie rückwärtsgewandte Ideen und Vorstellungen befördert.
Aber auch jenseits der traumatischen Erfahrung von Flucht und Vertreibung spielt die Sehnsucht nach Heimat für Migranten eine wichtige Rolle. Das zeigt sich nach wie vor bei Arbeitsmigranten, die an Wochenenden, in den Ferien und an Feiertagen in ihre Herkunftsorte zurückkehren. Die Ritualkultur, die sich rund um Verlobungen, Hochzeiten und Begräbnisse entwickelt, suggeriert ebenso ein Gefühl von Gemeinschaft und heimatlicher Verbundenheit wie die Errichtung neuer oder die Restaurierung alter Häuser an den Herkunftsorten. Obwohl zumeist keine realistische Aussicht auf Rückkehr besteht, bewahrt man sich diese Refugien als zweites Standbein oder als Sicherheit für den Fall, dass das Projekt „Auswanderung“ scheitert. Die Mehrdeutigkeiten heimatlicher Verbundenheit sind jedoch allgegenwärtig und die brüchigen Zugehörigkeiten, die damit einhergehen, bestimmen den Alltag vieler Familien.
„Häufig geht die Erfahrung der Rückkehr mit einer Entmythologisierung von Heimat einher.“
Doch zwischen Sehnsucht, Rhetorik und Praxis bestehen große Unterschiede. Die Anzahl jener, die aus Idealismus und Heimatverbundenheit wieder in ihre Herkunftsländer zurückkehrten, ist sehr gering. Die Gründe dafür sind ökonomischer und sozialer Natur: die drastischen Einkommensunterschiede, die mangelhafte soziale Sicherheit sowie die soziale Verankerung vor allem der Kinder und Kindeskinder in den Destinationsländern vereiteln die Rückkehr. Häufig geht die Erfahrung der Rückkehr mit einer Entmythologisierung von Heimat einher. Obwohl die politische Rhetorik andersgeartet ist und Regierungen bestrebt sind, ihre Landsleute wieder zur Rückkehr zu bewegen, bleiben erforderliche Maßnahmen zumeist aus oder lassen sich aus makroökonomischen Gründen nicht herstellen. Der Idealismus der Rückkehr ist längst einem Pragmatismus gewichen, was entscheidend mit eigenen Erfahrungen zu tun hat, aber auch mit den Informationen, die man sich über soziale Medien verschafft. Rückkehr bedeutet aber nicht allein die Wiederverankerung am Herkunftsort. Auch die temporäre Rückkehr ist eine Form der Remigration ebenso wie die Bezugnahme auf Rückkehr im Denken und Handeln von Menschen. In zahlreichen Sektoren (Pflege, Bauwirtschaft, Landwirtschaft, Gastronomie) werden Formen der temporären Migration praktiziert.
Mit welchen Vorstellungen und Projektionen kehren die Menschen in ihre Herkunftsgesellschaften zurück und womit werden Sie schließlich konfrontiert?
Sarah Scholl-Schneider: Mit dem Motiv, sich mit einer Rückkehr in die Herkunftsgesellschaft erneut aktiv einbringen zu wollen, hängt sicherlich oft auch ein gewisser Wunsch nach Sichtbarkeit, nach Präsenz und nicht zuletzt auch nach Anerkennung und Resonanz zusammen. Diese Wünsche spielten oft über Jahre hinweg eine bedeutende Rolle im Leben der Weggegangenen und bestimmten die Zeit der Emigration. Erst die physische Erfahrung der Rückkehr aber ermöglicht den Aufbau einer erneuten realen Verbindung mit dem einst Verlassenen und schafft Raum für gegenseitige Wahrnehmung und Interaktion. Aufschlussreich sind in dieser Hinsicht insbesondere die Erzählungen der Remigranten über die erste (physische) Rückkehr nach Jahren, in denen in den meisten Fällen ihre Körper erst einmal auf extreme Weise reagierten. Denn die Hoffnung (wieder) dazuzugehören, wird häufig enttäuscht: Bekanntes wird nicht wiedergefunden, weil die Zeit eben nicht stehengeblieben ist. Die alten Netzwerke sind zerbrochen, die früheren Zugänge stehen nicht mehr zur Verfügung. Besonders hart sind diese Konfrontationen im Falle derer, die ihre Heimatländer während der sozialistischen Zeit verlassen mussten und zurückkehrten in der Überzeugung, das neue System sei befreit vom alten Erbe. Manch einer berichtet von Situationen, in denen sich die einstigen Gegner nach wie vor in derselben Position befanden und beispielsweise entzogene Staatsbürgerschaften gnädig zurückerteilten.
„Bis heute wird eine Rückkehr in Richtung Osten als Versagen gedeutet.“
Auch die Art der Emigration besaß häufig einen Einfluss auf Erfolg oder Misserfolg der Rückkehr. Und je größere Akzeptanz die Diaspora nach dem Umbruch erfuhr, desto größer waren auch die Chancen, sich erneut zu reintegrieren oder integriert zu werden. Bei geringerer Akzeptanz griff hingegen häufig ein Prinzip, das der tschechische Schriftsteller Milan Kundera mit „Unwissenheit“ beschrieben hat. Es äußerte sich konkret im Vorwurf der Daheimgebliebenen, die Emigranten hätten es sich in der Ferne gut gehen lassen, während man in der Heimat gelitten habe. Diese Unwissenheit war jedoch nicht ausschließlich durch den engmaschigen Eisernen Vorhang begründet, sondern spiegelt gewissermaßen das Bild des „guten Lebens im Westen“ wider, das immer noch in vielen postsozialistischen Regionen präsent ist. So wird bis heute eine Remigration in Richtung Osten – etwa polnischer Migranten aus dem Vereinigten Königreich – als Versagen gedeutet.
Sind hochqualifizierte Rückkehrer mit besonderen Problemen konfrontiert? Oder wäre Rückkehrmigration eine Lösung für Braindrain?
Caroline Hornstein Tomić: Hochqualifizierte ebenso wie gering qualifizierte Arbeitsmigranten oder Rückkehrer finden dieselben Probleme vor: erodierende Sozialsysteme, niedrige Lohnniveaus, gravierende Mängel im Gesundheitswesen, fehlende Flexibilität in Beschäftigungsverhältnissen, beschränkte Qualifizierungs- und Weiterbildungschancen, geringe internationale Wettbewerbsfähigkeit, etc. Besondere Probleme für Hochqualifizierte ergeben sich wohl zudem aus Intransparenz und Wettbewerbsmanipulation am Arbeitsmarkt wie im akademischen Bereich: Netzwerkrekrutierung und Klientelismus, einer polarisierte, polarisierende und politisierte Debattenkultur, einem Mangel an Sachorientierung in der professionellen Auseinandersetzung oder der Unterausstattung in den verschiedensten Arbeitsfeldern.
Die vielen Diaspora-Outreach-Programme zur Förderung der Rückkehr z.B. an Hochschulen im südosteuropäischen Raum sind kaum nachhaltig, weil sie diese Kontextbedingungen weitgehend ausblenden oder zu wenig berücksichtigen. Die Praxisferne der Bildung und die zu geringe Kommunikation zwischen Wirtschaft und Bildungssektor sind Schlüsselprobleme, die auch die berufliche Integration von Rückkehrern belasten. Hier aber ließe sich ansetzen: etwa durch Rückkehr-Partnerschaften mit der Industrie, die allerdings voraussetzten, dass bereits vor der Migration Kontakte zwischen Hochqualifizierten und einem künftigen Arbeitgeber aufgebaut werden. Es ist immer wieder und viel von „Brain Circulation“ die Rede. Programme, die dem förderlich wären, müssen früh und am Ausgangspunkt ansetzen, also dann und dort, wo die Fühler ins Ausland ausgestreckt bzw. Hochqualifizierte angeworben werden. Zurückgekehrte können sicher dazu beitragen, eine Rückkehr auch für andere reizvoll erscheinen lassen.
Ganz generell: Wie gelingt erfolgreiche Rückkehr und Reintegration in den post-sozialistischen Ländern Europas?
Sarah Scholl-Schneider: Leider haben wir dafür kein Rezept. Einige der Akteure, denen wir in unserem Buch eine Stimme verliehen haben, haben erfolgreiche Rückkehr vorgemacht: sie haben gut geplant und waren finanziell abgesichert. Sie konnten in Ländern mit umfassendem Elitenwechsel teils auf alte und nun einflussreiche Netzwerke zurückgreifen, Wege, Nischen und geeignete Zeitpunkte ausmachen, um auch ihre Familien erfolgreich in den Reintegrationsprozess einzubeziehen. Nicht zuletzt haben sie auch mit der ein oder anderen Strategie Erfolge erzielt. Jener etwa, nicht als „fremd“ aufzufallen, leise zu treten, sich bewusst im Hintergrund zu halten. Andere jedoch hatten es schwerer und manche haben ihre Rückkehr gar wieder rückgängig gemacht. Viele der erwähnten hinderlichen Aspekte sind auf strukturelle Probleme zurückzuführen. Das macht insbesondere der Vergleich mit anders gearteten, etwa historischen Remigrationswellen wie der deutschen Nachkriegsremigration deutlich. Mitte der 1940er-Jahre hat der Soziologe Alfred Schütz bereits den Typus des Heimkehrers beschrieben, dem bestimmte Merkmale innewohnen, die uns letztlich bereits aus der griechischen Mythologie bekannt sind: Etwa, dass nicht nur er, sondern auch die Daheimgebliebenen sich während der Abwesenheit verändern, dass er mit hartnäckigen Stereotypen versehen ist oder dass er den Wunsch auf Einbringen der in der Fremde gemachten Erfahrungen hegt. Schütz endet seinen Text mit der Forderung, dass alle beteiligten Seiten darauf vorbereitet werden müssen, dass die Rückkehr kein Selbstläufer ist.
An dieser Vorbereitung arbeiten mit unterschiedlicher Intensität und finanzieller Ausstattung über das gesamte postsozialistische östliche Europa verteilt zahlreiche NGOs, nationale Diaspora-Programme, Rückkehrinitiativen und -beratungsstellen. Am leisesten in diesem Diskurs sind jedoch die Betroffenen selbst. Dabei ließe sich aus deren Erfahrungen wohl einiges lernen.
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