Moralischer Populismus, „Orbánismus“ und Faschismus

Slowenien vor den Wahlen zum Europäischen Parlament

In Slowenien ist im Vorfeld der im Mai stattfindenden Europawahlen eine lebhafte öffentliche Diskussion im Gange. Die Themen reichen vom Aufkommen eines neuen moralischen Populismus – ausgelöst durch den Fall eines Politikers, der durch den Diebstahl eines Sandwiches in Ungnade fiel – über das Vermächtnis des Zweiten Weltkriegs bis hin zur europäischen Migrationsdebatte.

Drei Ereignisse prägen bislang den EU-Wahlkampf in Slowenien. Zum einen war es das Ausscheiden eines Parlamentsabgeordneten aus der zunehmend populären Partei von Ministerpräsident Marjan Šarec, der Liste Marjan Šarec (LMŠ), die der Fraktion der Allianz der Liberalen und Demokraten für Europa (ALDE) angehört. Brüsseler Umfragen zufolge wird die LMŠ drei oder vier der acht slowenischen EU-Parlamentssitze erhalten

Der fragliche Abgeordnete Darij Krajčič wurde nach einem ungewöhnlichen Vorfall auf drastische Weise von der Regierung geopfert. Nachdem er in einem Geschäft zu lange an der Kasse warten musste, verließ er mit dem Argument, das „Sicherheitssystem testen“ zu wollen, verärgert den Laden, ohne sein Sandwich zu bezahlen. Er nahm das Sandwich mit ins Parlament und legte sein „Experiment“ zur öffentlichen Diskussion vor. Dann ging er zurück und beglich seine Schulden. Seine provokante Aktion erregte große mediale Aufmerksamkeit. Aus Sorge um ihre Erfolgschancen bei den bevorstehenden Wahlen verlangte die LMŠ den Rücktritt des Abgeordneten, der dieser Forderung Folge leistete.

Wie man eine Debatte gewinnt (und verliert)

Janez Janša und seine liberalkonservative Slowenische Demokratische Partei (SDS), größte Oppositionspartei und Mitglied der Europäischen Volkspartei (EVP), lassen keine Gelegenheit aus, sich in der Diskussion über den Ausschluss von Fidesz aus der EVP auf die Seite von Viktor Orbán zu stellen. Den Ton vorgegeben hat der slowenische EU-Parlamentarier Milan Zver (SDS), der Orbán als den „einzigen Gewinner der Migrationsdebatte auf EU-Ebene“ bezeichnete.

Indes wird in einer Petition der Rücktritt des italienischen EU-Parlamentspräsidenten Antonio Tajani gefordert. In einer Rede nahe Triest bezeichnete Tajani Teile Kroatiens und Sloweniens als italienisch, was einer revisionistischen Auslegung der während des Zweiten Weltkriegs gezogenen slowenisch-italienischen Grenze gleichkommt. Tajani dementierte anschließend faschistische Tendenzen. In einer Reaktion erklärte Janša, dass slowenische Kommunisten mehr Slowenen ermordet hätten als die Faschisten.

Ein aufkeimender moralischer Populismus bringt also einen LMŠ-Abgeordneten zu Fall, während ein neuer politischer „Puritanismus“ die SDS erfasst. Die dritte Entwicklung im Vorfeld der EU-Wahlen betrifft die Diskussion über den umstrittenen Faschismus. Das Rennen wird wohl die SDS machen, die Orbán weiterhin gegen die EU in Schutz nehmen wird.

Original auf Englisch. Erstmals publiziert am 3. April 2019 auf Eurozine.
Aus dem Englischen von Barbara Maya.


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Urheberrechtliche Angaben zu Bildern, Grafiken und Videos sind direkt bei den Abbildungen vermerkt. Titelbild: Ljubljana, Slowenien. Foto: © iStock / RomanBabakin

Mood of the Union

Die Serie Mood of the Union sammelt Artikel zur Wahl zum Europäischen Parlament aus allen 28 EU-Mitgliedstaaten. Die Serie wird von der ERSTE Foundation und dem National Endowment for Democracy unterstützt.

In der Serie The Mood of the Union berichten Redakteure des Magazins Eurozine über die Lage in der gesamten Europäischen Union und diskutieren mit Journalisten und Analysten die Einstellungen zu den EU-Wahlen und über das, was auf nationaler Ebene auf dem Spiel steht. Ziel der Serie ist es, über die Berichterstattung nationaler Medien hinaus, einen detaillierteren Einblick in die Stimmung vor Ort zu liefern. Die Serie wird von Agnieszka Rosner kuratiert und vom mitwirkenden Redakteur Ben Tendler editiert.

“Vom Leben im Krieg für den Frieden lernen.”

“Proletarier aller Länder, wer wäscht eure Socken?”

“Zeit, Wachstum neu zu denken”

“Es sind die Eliten, die sich gegen die Demokratie wenden, nicht das Volk.”

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