„Solidarität muss an erster Stelle stehen!“
Zdenka Badovinac im Gespräch mit Tjaša Pogačar über Konzepte von "Ost" und "West", die Unabhängigkeit von Institutionen und Kulturpolitik im heutigen Slowenien
Tjaša Pogačar im Gespräch mit Zdenka Badovinac, Gewinnerin des Igor Zabel Awards for Culture and Theory 2020.Der Igor Zabel Award for Culture and Theory würdigt die herausragende Arbeit von Kuratorinnen, Kunsthistorikern oder -theoretikern, Schriftstellerinnen oder Kritikern, die sich mit zeitgenössischer Kultur und Kunst in Zentral-, Ost- und Südosteuropa beschäftigen. Der nach dem renommierten slowenischen Kurator und Kunsthistoriker Igor Zabel (1958–2005) benannte Preis, wurde von der ERSTE Stiftung initiert, wird seit 2008 alle zwei Jahre verliehen.
Zdenka Badovinac, Kuratorin, Kunsthistorikerin und Autorin, hat sich im Rahmen der subkulturellen Szene und der zivilgesellschaftlichen Bewegungen der 1980er Jahre in Slowenien einen Namen gemacht, als sie sich auch als Umweltaktivistin engagierte. Heute ist sie über die Grenzen der osteuropäischen Region hinaus eine der bedeutendsten Akteurinnen im Bereich der zeitgenössischen Kunst. Bekannt ist sie für ihre bahnbrechende kuratorische Arbeit, ihre wertvollen Beiträge zum internationalen Diskurs über die Geopolitik der Kunst in Osteuropa und ihren institutionellen Beitrag als Direktorin der Moderna galerija Ljubljana, die sie in den Jahren 1993 bis 2020 leitete. Ihre Tätigkeit in der Moderna galerija hat sie 1987 aufgenommen, kurz vor dem Zerfall der Sozialistischen Republik Jugoslawien.
Wegen der relativen Isolation der osteuropäischen Region, die auch mit einer infrastrukturellen Unterversorgung einherging, legte sie schon als junge Kuratorin von Anfang an ihren Schwerpunkt auf internationale Vernetzung, die in ihrer Arbeit aber immer auch von lokalen Dringlichkeiten geprägt ist. Ein Fokus, der bis heute besteht, wie sie im Gespräch mit der Autorin, Kuratorin und langjährigen Kollegin in der Moderna galerija, Tjaša Pogačar, sagt. Sie geht auch auf die jüngsten Entwicklungen in der slowenischen Kulturpolitik ein.
Das Interview fand am 1. März 2021 statt. Zu diesem Zeitpunkt war Zdenka Badovinac nicht mehr Direktorin der Moderna galerija. Aleš Vaupotič war zum damaligen Zeitpunkt noch nicht zum neuen Direktor bestellt worden. Er trat die Stelle Anfang April 2021 an.
Von Anfang an scheint Ihre kuratorische Arbeit von einer klaren Vorstellung angetrieben zu sein, welche Art von Institution oder was die Moderna galerija sein soll. Dies wurde zwar kritisiert, ermöglichte der Moderna galerija aber, sich als international interessante und wichtige Akteurin zu profilieren. Was für eine Vision ist das?
Obwohl sich die Moderna galerija 1993 möglicherweise in einer besseren Situation befand als andere, ähnliche Häuser auf dem Balkan, verfügte sie – als ich als Direktorin übernahm – über kein klar formuliertes Konzept, wie dies in westlichen Institutionen üblich war. Ich habe erst später formuliert, dass die Sammlung und das Museum als Instrumente begriffen werden können, Instrumente für die Kommunikation zwischen dem Osten und dem Westen zum Beispiel. Doch dieser Gedanke hat meine Arbeit von Anfang an bestimmt und tut dies bis heute. Es geht darum, in einem relativ isolierten Raum zu agieren und sinnvolle Dialoge in einem breiteren internationalen Kontext zu ermöglichen. Es geht jedoch nicht darum, einheimische Kunst im Ausland zu fördern, nationale Kunst zu exportieren. Das habe ich nicht getan. Mich interessierten vielmehr der lebhafte Dialog, die Anforderungen und Belange dieses Raums. In den Anfangsjahren war mein Verständnis dieser Anforderungen deutlich mehr mit der Kunst selbst verbunden als mit der Politik oder der Geopolitik, die aber später natürlich ein essentieller Teil dieser Geschichte werden. Es schien mir wichtig, zuerst zentrale Fragen zu identifizieren – ästhetische, ethische, politische -, die den lokalen Raum charakterisieren, und dann zu versuchen, diese Fragen im Dialog mit dem erweiterten Raum zu beantworten. Die Institution diente als Plattform, auf der diese Themen mit lokalen AkteurInnen diskutiert wurden, und auf der auch andere in den Dialog einbezogen wurden. In meiner Arbeit habe ich daher immer nach Verknüpfungen und Kooperationen mit KünstlerInnen und anderen AkteurInnen gesucht, die die Institution nicht lediglich als Raum der Repräsentation von Kunst betrachten. Selbstverständlich ist das auch eine der Aufgaben des Museums, aber meiner Meinung ist das für die Schaffung und Vision einer Institution nicht genug.
In ähnlicher Weise ging es bei der Sammlung Arteast 2000+, die Sie Ende der 1990er Jahre in der Moderna galerija aufbauten, nicht mehr nur um die Frage, was für eine Sammlung man besitzt, sondern auch darum, was man mit ihr machen kann. Dem Konzept der Sammlung und des Museums als Instrument widmete sich auch die Ausstellung Low-Budget Utopias. Die Instrumentalisierung der Kunst etwa durch die Politik oder den Markt ist normalerweise Gegenstand der Kritik. Was unterscheidet diese Instrumentalisierung von der Strategie des Museums als Instrument?
Genau, das war die Hauptidee. Dieses Konzept offenbart lediglich, was längst existiert. Autonomie und Nicht-Instrumentalisierung sind reine Illusion. Erst wenn die Mechanismen der Instrumentalisierung aufgedeckt werden, kann das Instrument für etwas Bedeutsameres verwendet werden, auch KünstlerInnen können dann sinnvoller damit arbeiten. Es ist interessant, wie die Ansätze, die ich in den 90er Jahren in meiner kuratorischen Praxis entwickelt habe, in den letzten zehn Jahren auch ihre Namen bekommen haben, insbesondere im Zusammenhang mit L’Internationale.L’Internationale ist eine Vereinigung von sieben großen europäischen Institutionen und Partnern aus dem Bereich der modernen und zeitgenössischen Kunst. Sie wurde 2010 auf Initiative von Zdenka Badovinac und der Moderna Galerija in Ljubljana gegründet und will Kunst in den Rahmen eines nicht-hierarchischen, dezentralen Internationalismus stellen, der auf den Werten von Diversität und dem horizontalen Austausch zwischen KulturvermittlerInnen basiert, die lokal verwurzelt und global verbunden sind.
Am explizitesten setzte sich das Van Abbemuseum in Eindhoven in Zusammenarbeit mit Tania Bruguera im Projekt Arte Util mit dem Thema Instrumentalität auseinander. Bei den Projekten der Moderna galerija hingegen wurde über den Nutzen nachgedacht, indem wir uns fragten, was die Institution tun kann, um die eigenen Arbeitsbedingungen und die der KünstlerInnen zu verbessern. Und zugleich: Wie können auf dieser Grundlage gerechtere Dialoge in einer globalisierten Welt ermöglicht werden? Bereits seit den 1990er Jahren war klar, dass osteuropäische Kunst zu einer Nische werden würde, die vom westlichen Kunstsystem instrumentalisiert werden sollte. Was mich interessierte, war symbolisches Kapital zu schaffen, mit dem wir aus unserem Raum in die Welt gehen können, das es ermöglicht, dass die Region keine Ware wird, sondern für sich selbst spricht.
Die Einrichtung der Sammlung Arteast 2000+ war somit eine Reaktion auf das gestiegene Interesse des Westens für diesen neuen und noch nicht „kartierten“ Raum, sowie auf dessen Appetit auf die Kunst der osteuropäischen Region, was beides insbesondere nach 1989 auftrat. Wie wurde auf den lokalen künstlerischen und kulturpolitischen Kontext reagiert bzw. wie fügte sie sich darin ein?
1998 kuratierte ich die Ausstellung Body and the East in der Moderna galerija, aus der dann irgendwie organisch, aber mit konzeptuellen Erweiterungen, die Sammlung Arteast 2000+ hervorging. Zu dieser Zeit stellte sich auch die Frage, wie wir Internationalität interpretieren. Handelt es sich dabei um etwas Universelles, oder ist eine neue, andere Konzeption erforderlich? Wir haben uns für Letzteres entschieden und die Notwendigkeit gesehen das Konzept einzugrenzen. Wir definierten unseren „internationalen Kontext“ auf der Grundlage der Anforderungen der Räume, mit denen wir gemeinsame Erfahrungen teilen. „Osteuropäisch“ war die Art und Weise, wie wir unsere Internationalität kontextualisierten. Später wurde viel darüber geschrieben, ob es bei der Definition des „Osteuropäischen“ um Identität oder um geopolitische Fragen ging. Für mich geht es aber eigentlich nicht um die Idee einer fixen osteuropäischen Identität, sondern um die Frage von ähnlichen oder zumindest vergleichbaren materiellen Arbeitsbedingungen, die diesen Raum charakterisieren, die mangelhafte Infrastruktur bestehend aus Museen, Sammlungen, Schulen, Publikationen, dem Markt, dem internationalen Dialog… ein Mangel an allem, was das Kunstsystem ausmacht.
Dieses Problem ist der gemeinsame Nenner Osteuropas, der diese Region bis heute in gewisser Weise zusammenhält. Deshalb finde ich Begriffe wie „ehemaliges Osteuropa“ und „ehemaliger Westen“ seltsam. Als ob die Tatsache, dass wir im globalen Kapitalismus leben, auch bedeutet, dass wir alle gleich sind. Unterschiede bestehen weiterhin. Osteuropa folgt einem gesellschaftlichen Mechanismus, bei dem sich bestimmte Muster wiederholen. Isoliertheit, Nationalismen, Patriarchat und eine untergeordnete Wirtschaft sowie Rückständigkeit im Vergleich zum Westen bestehen zu einem gewissen Grad bis heute fort. Ein weiteres Problem ist der verkümmerte Kunstmarkt, der in diesem Teil Europas bisher kaum Fortschritte gemacht hat. Einige Dinge funktionierten in der Zeit des Sozialismus und der damaligen Kulturpolitik sogar besser als heute, als Kunstwerke zur Einrichtung von Regierungsgebäuden, Unternehmen usw. angekauft wurden. Auf dem Gebiet des ehemaligen Jugoslawien ist die Liste der Galerien kurz, die in den internationalen Markt eingebunden sind. Die Museen haben es in dieser Region jetzt schwerer als zu Zeiten des gemeinsamen Staates. Zwar wurden in den 1990er Jahren gewisse Durchbrüche erzielt. In der Moderna galerija änderte sich beispielsweise das Programm, in Zagreb wurden neue Gebäude errichtet, aber dann fehlte es an Geld das Programm umzusetzen. Einige Museen in der Region wie z.B. in Sarajevo blieben wegen fehlender Mittel für den Wiederaufbau und Betrieb noch lange Zeit nach dem Krieg komplett geschlossen. Auch in Warschau wird ein neues Museum gebaut, das schon bisher auch ohne eigenes Gebäude eine der wichtigsten Institutionen im Osten Europas gewesen ist, aber fortwährend vom dortigen politischen Regime bedroht wird. Somit ist alles, was in dieser Region in einem infrastrukturellen, systemischen Sinne aufgebaut und etabliert wurde, sehr fragil, unterliegt neuen politischen Regimen mit autokratischen, konservativen und nationalistischen Bewegungen und kann sehr schnell, wie ein Kartenhaus, in sich zusammenfallen. Die Institutionen im Westen sind deutlich stabiler, obwohl sie ständig unter dem Druck der Kommerzialisierung stehen.
Seit dem Amtsantritt der neuen Regierung in Slowenien im März 2020 beobachten wir eine Reihe politischer Schachzüge, die auf praktisch allen Ebenen des Kultursystems, insbesondere in Ljubljana, Fronten eröffnet haben. Einerseits wird die Infrastruktur der sogenannten unabhängigen Kultur, die sich aus der alternativen Szene und der Zivilgesellschaft in den 80er Jahren entwickelte, untergraben. So hat die Stadt Ljubljana vor Kurzem damit begonnen, die alte Fabrik Rog abzureißen, die mehr als fünfzehn Jahre lang ein Ort für selbstorganisierte Kultur und sozialen Aktivismus war. Das Kulturministerium hat die Pachtverträge mit den NGOs in der Metelkova 6 nicht verlängert, die Studentenorganisation droht zugleich mit dem Entzug der Mittel für das freie Radio Študent, das älteste nicht kommerzielle Radio Europas. Gleichzeitig fanden im öffentlichen Sektor Neubesetzungen von Führungspositionen in wichtigen staatlichen Kulturinstitutionen statt, die aus der Sicht vieler auf professionell fragwürdige Weise abgelaufen ist. Die Moderna galerija ist eine dieser Institutionen, wobei zum Zeitpunkt, zu dem dieses Interviews geführt wurde, noch nicht bekannt war, wer die Leitung übernehmen wird. Darüber hinaus tauscht das Kulturministerium auch die Mitglieder der Expertinnenkommissionen für die Zuweisung öffentlicher Mittel im Kulturbereich aus. Es behindert Verfahren und missachtet die Meinungen der Expertenkommissionen bei Verfahren zur Erlangung des KünstlerInnenstatus und gewisser damit verbundener Rechte, und greift damit auch in den Bereich der selbstständigen Kulturschaffenden ein. Parallel zu diesem Abbau bestehender institutioneller Positionen und Förderstrukturen wird in den Aufbau verschiedener neuer Institutionen investiert. Das Ministerium hat kürzlich Pläne zum Bau eines neuen Museums der Unabhängigkeit Sloweniens veröffentlicht. Die Stadt hat die Renovierung der alten Zuckerfabrik Cukrarna, die zu einer Art Kunsthalle von Ljubljana werden soll, fast abgeschlossen. In Ihrer Arbeit als Kuratorin haben Sie das Konzept des „Institutionsaufbaus“ eingeführt. Mich interessiert, was „Aufbau“ im Fall der aktuellen staatlichen und städtischen Kulturpolitik für Sie bedeutet.
Metelkova 6
Im Gebäude in der Metelkova 6 in Ljubljana sind heute NGOs, unabhängige Kunst- und Kulturschaffende, ForscherInnen und eine Anwaltschaft für Minderheiten und Randgruppen untergebracht. Sie alle agieren in der Tradition der zivilgesellschaftlicher Bewegungen, die in den 1980er Jahren die Demokratisierung und Entmilitarisierung der Gesellschaft maßgeblich unterstützten. Das Gebäude ist der nördliche Teil einer ehemaligen Kaserne der jugoslawischen Armee, der 1993, zwei Jahre nach der Unabhängigkeit Sloweniens, von AktivistInnen besetzt wurde, die dort das Autonome Kulturzentrum Metelkova Stadt gründeten. In den renovierten Räumlichkeiten des südlichen Teils des Kasernenkomplexes befinden sich verschiedene nationale Museen, darunter das Museum für zeitgenössische Kunst Metelkova, das als Teil der Moderna Galerija die Sammlung Arteast 2000+ beherbergt.
Abbildung im Kasten: Gebäude in der Metelkova 6. Foto: (CC BY-NC 2.0) stevekeiretsu / flickr.com
In meiner Arbeit verstehe ich die Praxis des Institutionsaufbaus als östliches Pendant zum westlichen Genre der Institutionskritik. Es gab und gibt im Osten keine reichen Institutionen mit internationalen Sammlungen und Einfluss auf die breitere Geschichte und das Kunstsystem. Wir haben immer noch das Problem, dass Institutionen, die früher ideologischen Angriffen ausgesetzt waren und offensichtlich immer noch sind, nicht voll funktionieren, also in gewisser Weise abwesend, fragil sind und daher eher aufgebaut als abgerissen werden müssen.
Mit Institutionsaufbau bezeichnete ich künstlerische Praktiken, die an institutioneller Arbeit interessiert waren, die durch institutionelle Abwesenheit entstandene Lücken in gewisser Weise füllten und natürlich für andere Institutionen plädierten. Dies wirkte sich auf meine institutionelle Arbeit aus. Es ging darum, basierend auf dem „Input“ von KünstlerInnen und Gemeinschaften und dem Wissen darüber, was auf der ganzen Welt geschieht, eine Institution in ein kritisches, demokratisches, konstitutives Museum zu verwandeln. Bei keinem der oben genannten Beispiele aus Ljubljana ist dies der Fall.
Beim Museum der Unabhängigkeit Sloweniens, dessen Gründungsstatut bereits geschrieben wurde und auf die Genehmigung durch die Regierung wartet, handelt es sich um ein vollkommen ideologisches Konzept. Im Fall der alten Zuckerfabrik Cukrarna hingegen wird unter der Schirmherrschaft des Museums und der Galerien der Stadt Ljubljana eine ganz andere Agenda verfolgt. Diese ist zeitgenössischer und an die Kreativwirtschaft gekoppelt und daher nicht explizit ideologisch im Sinne staatlicher Institutionen. Ich denke, dass es, zumindest in Ljubljana zu einer interessanten Trennung zwischen staatlicher und städtischer Kultur kommt.
Während die staatliche Kulturpolitik sehr ideologisch gefärbt ist und daher in letzter Zeit viel Schaden angerichtet wurde, wird auf städtischer Ebene eine andere Politik umgesetzt. Der sehr erfolgreiche und effiziente Bürgermeister Zoran Janković kümmert sich um seine kulturelle Infrastruktur. Natürlich ist sein Prinzip der Koppelung von Kunst und Kapital, Kunst und Kreativwirtschaft, als auch Kulturtourismus sehr zeitgemäß, neue Investitionen müssen in diesem Licht gesehen werden. Ein wichtiger Baustein ist die Renovierung des geräumten Fabrikgeländes Rog, bei dem die Verbindung zur Kreativwirtschaft klar vorhanden ist. Fragen zur Zukunft von Rog und was mit den bisherigen NutzerInnen geschehen wird, sind noch offen und werden diskutiert. So ist beispielweise noch nicht bekannt, wo für Aktivitäten von Initiativen wie jener des Sozialzentrum Rog Ersatzräume bereitgestellt werden. Dies ist zweifellos ein großer Verlust für MigrantInnen und marginalisierte Gruppen, den wettzumachen die Stadt bisher noch keine Anstrengungen unternommen hat. Das alles ist Teil eines umfassenderen, schnell voranschreitenden Umgestaltungsprozesses, um die Stadt schöner, elegant zu machen. Die neuen, im Bau befindlichen städtischen Institutionen gehören wahrscheinlich zum städtebaulichen Konzept von Janković, doch man sollte gleichzeitig betonen, dass die Stadt Ljubljana in ein bis zwei Jahren eine wichtige neue Infrastruktur erhalten wird, die der Staat nicht bauen kann.
Wie fügt sich der Betrieb der Moderna galerija in diese Kulturlandschaft ein, insbesondere im aktuellen Kontext der Pandemie? Welche Rolle spielt sie oder sollte sie in Bezug auf die Kulturpolitik und Politik im weiteren Sinne spielen?
Zdenka Badovinac
Zdenka Badovinac wurde 1993 Direktorin der Moderna galerija in Ljubljana. Mitten in einer turbulenten Zeit, die von radikalen gesellschaftspolitischen Veränderungen und (Neu-)Formierungen künstlerischer Diskurse geprägt war, welche wiederum von Rekonfigurationen lokaler und globaler geopolitischer Machtverhältnisse beinflusst wurden. Seit Beginn ihres Antritts als Direktorin und durch ihre innovative kuratorische Herangehensweise ist es ihr gelungen eine der fortschrittlichsten, kritischsten und maßgebendsten Kunstinstitutionen weltweit zu schaffen. Unter ihrer Leitung baute sie die Moderna galerija auf dem Fundament ihren historischen Grundlagen (seit 1948) auf und sammelte und präsentierte die gesamte Bandbreite der Kunsproduktion des 20. Jahrhunderts. Sie war es auch, die die erste Sammlung osteuropäischer Kunst innitierte, die Arteast 2000+ Sammlung der Moderna galerija.
Badovinac was the Slovenian Commissioner at the Venice Biennale from 1993 to 1997 and again in 2005. She was the Austrian Commissioner at the São Paulo Biennial in 2002 and the President of CIMAM, the International Committee for Museums and Collections of Modern Art, from 2010 to 2013.
Von 1993 bis 1997 und 2005 kuratierte Badovinac den slowenischen Beitrag für die Biennale von Venedig. Für die Biennale in São Paulo war sie 2002 als Kuratorin des Österreich-Beitrags bestellt. Von 2010 bis 2013 fungierte sie als Präsidentin von CINAM, dem internationalen Komitee für Museen und Sammlungen moderner Kunst.
Badovinac ist eine produktive Autorin und Dozentin und leistete immense Beiträge zu neuen Paradigmen in der Kunsttheorie, in der Kulturpolitik, im Kuratieren, bei Ausstellungspraktiken, in der Kritik von Institutionen und Solidarität innerhalb der (institutionellen) zeitgenössischen Kunst. Ihr jüngstes Buch Comradeship: Curating, Art, and Politics in Post-Socialist Europe (ICI, New York, 2019), ist eine einzigartige Sammlung kritischer Texte und offeriert tiefgründige Reflexionen über hegemoniale Strategien und Gegenstrategien des Kuratierens und des künstlerischen Diskurses.
Foto: (c) Nada Žgank
Ich gehe davon aus, dass sich die Politik der Moderna galerija unter der neuen Führung ändern und mit dem staatlichen Konzept der nationalen Kunst und der konservativeren Ästhetik übereinstimmen wird. Die Ausschreibung für die Leitung des Museums ist derzeit noch offen, ich selbst bin eine der KandidatInnen, aber im aktuellen politischen Klima bin ich chancenlos.Das Interview wurde am 1. März 2021 und damit zu einem Zeitpunkt geführt, wo das Auswahlverfahren für den Posten des Direktors noch im Gange war. Aleš Vaupotič wurde nach dem Interview, im April 2021, zum neuen Direktor der Moderna galerija ernannt Ich möchte betonen, dass das ideologische staatliche und das neoliberale städtische Konzept einander nicht völlig ausschließen, sondern in gewissem Maße sogar ergänzen. Auch nationale Institutionen dürften unter der neuen Regierung neoliberalen Modellen, Managementansätzen und der Kommerzialisierung von Museen weitaus mehr Sympathie entgegenbringen. Einige dieser Institutionen verfolgen bereits seit mehreren Jahren eine solche Politik.
Ich halte es jedoch für wichtig, dass es auf nationaler Ebene eine Institution gibt, die als Gegengewicht fungieren kann. Die Arbeit der Moderna galerija, wie sie bisher ausgerichtet war, sollte fortgesetzt werden, natürlich mit geschärften Blicken auf aktuelle Erfordernisse, die von der Zeit nach der Pandemie diktiert und zweifellos die kuratorische und institutionelle Praxis prägen und verändern werden. Mit den Vorsichtsmaßnahmen und physischer Distanz verändert sich auch das Verhalten im Galerieraum, die Wahrnehmung, und es besteht Bedarf an unmittelbareren Erfahrungen, die wahrscheinlich mit einer stärkeren Betonung der Materialität der Kunst verbunden sein werden. Gleichzeitig müssen wir auch damit rechnen, dass das Heer prekär lebender KulturarbeiterInnen wächst und die Institution darauf reagieren muss. Meiner Meinung nach muss Solidarität an erster Stelle stehen. Sehr viele Museen auf der ganzen Welt haben sich im letzten Jahr damit befasst. „Care“ ist das Wort des Jahres und eine Art Trend, aber natürlich sollte die Verwendung dieser Begriffe sorgfältig dosiert werden, damit sie nicht zu schnell zu leeren Worthülsen werden.
Sie sprechen also von einer Institution, die einen, sagen wir mal, produktiven Antagonismus zur aktuellen (Kultur-) Politik beibehält und gleichzeitig eine selbstreflexive Haltung pflegt. Wie kann dann eine Institution, die ihre Politik als Reaktion auf einen lokalen Kontext und eine Konditionalität formuliert, in einen Dialog mit einem breiteren internationalen oder globalen Raum treten?
Ich denke, die Moderna galerija sollte auf den bestehenden Konzepten eines konstitutiven, demokratischen und kritischen Museums aufbauen. Dieses Modell eines Museums mit unterschiedlichen Nuancen lebt im Dialog mit verschiedenen Gemeinschaften. Diese können nicht nur als lokal definiert werden, da wir heute an mehreren Orten gleichzeitig leben und täglich über das Internet mit dem internationalen Raum verbunden sind. Wir müssen Gemeinschaften anders und größer denken.
Meine KollegInnen von L’Internationale und ich verwenden lieber den Begriff „Situiertheit“, zu dem auch die umfassendere Kommunikation und Positionierung zu sozialen Themen gehört. Die Pandemie hat natürlich das Interesse am Lokalen geweckt, es wird viel über die Rückkehr zu traditionellem, handwerklichem Wissen, zur Ökologie, Erde und „indigenen Praktiken“ gesprochen, was mit dem Modell eines nachhaltigen Museums zusammengefasst werden könnte, womit wir uns auch in der Moderna galerija beschäftigen. Zugleich aber hat sie den Blick für die Gesellschaft und für die Technologien geschärft, die uns miteinander verbinden. Es handelt sich um ein neues Ökosystem, das nicht nur ökologisch ist, sondern auch für ein Gleichgewicht der verschiedenen AkteurInnen sorgt, die für ihre Umwelt und ihr soziales Umfeld Verantwortung tragen. In diesem Sinne ist auch die Verbindung mit der posthumanistischen Theorie wichtig. Heute werden längst nicht mehr nur Menschen als AkteurInnen betrachtet, vielmehr gilt es auch die aktive Rolle anderer Lebewesen bei der Mitgestaltung dieses Ökosystems anzuerkennen. Die Technologie spielt sicherlich auch eine wichtige Rolle. Die Konzepte, die wir in all den Jahren in der Moderna galerija entwickelt haben, müssen daher entsprechend der heutigen Erfordernisse ausgebaut werden – jener der Isoliertheit angesichts der Pandemie, die andere Prioritäten gesetzt hat, des sozialen und ökologischen Prekaritäts und natürlich des Widerstands gegen die Methoden und Ergebnisse der politischen Instrumentalisierung dieser Krise, die in Osteuropa zu beobachten ist und auch mit dem Wachstum autoritärer Regime in dieser Region zusammenhängt.
Original in Slowenisch.
Aus dem Slowenischen von Liza Linde.
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