{"id":8984,"date":"2023-02-03T09:00:33","date_gmt":"2023-02-03T09:00:33","guid":{"rendered":"https:\/\/tippingpoint.net\/?p=8984"},"modified":"2023-03-01T15:04:57","modified_gmt":"2023-03-01T15:04:57","slug":"kreislaufwirtschaft-ist-kein-klumpert","status":"publish","type":"post","link":"https:\/\/tippingpoint.net\/de\/kreislaufwirtschaft-ist-kein-klumpert\/","title":{"rendered":"Kreislaufwirtschaft ist kein Klumpert!"},"content":{"rendered":"\n\n\t\n\t\t\t
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\n\tDas neue Magdas Hotel der Caritas in Wien \u00f6ffnet uns die Augen, was im Bereich von Pflege, Erhaltung und Kreislaufwirtschaft alles m\u00f6glich ist.<\/strong><\/p>\t\t\t<\/div>\n\t\t<\/div>\n\t<\/div>\n\n\n\n\n\t\n\t\t\t

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\n\tDa, wo jetzt die Hugos, Aperol-Spritzer und Magdas-Habibi-Special-Gin-Drinks ausgeschenkt werden, wurde auch fr\u00fcher schon allerhand S\u00fcnde zutage gef\u00f6rdert, wenn auch dereinst ohne Alkoholeinfluss, tagein, tagaus, viele, viele Tausende Male \u00fcber all die Jahrzehnte. “Was glauben Sie, woher das Holz hinter der Bar stammt? Das erraten Sie nie!” Und recht hat sie, die Frau Sonnleitner. Denn die dunkle Holzvert\u00e4felung mit ihren vertikalen, leicht genuteten Sprossen, die nun den Background f\u00fcr Mohammeds und Magdalenas Schanktat am Tresen bilden, war fr\u00fcher einmal Teil eines Beichtstuhls im sogenannten Waldkloster, Wien-Favoriten.<\/p>\t\t\t<\/div>\n\t\t<\/div>\n\t<\/div>\n\n\n\n\n\t\n\t\t\t

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\n\tDie Zeiten der Rosenkr\u00e4nze sind vorbei. Heute f\u00fchren die hochwertig gearbeiteten Holztafeln \u2013 so wie viele andere M\u00f6bel und Bauteile auch \u2013 ein Leben nach dem Materialtod, und zwar im neuen Magdas Hotel in der Ungargasse, das seit wenigen Tagen in Betrieb ist. Im Erdgescho\u00df gibt\u2019s Drinks, Fr\u00fchst\u00fccke, supergute Mittagsmen\u00fcs, regionale und levantinische K\u00f6stlichkeiten sowie ein eigenartiges, halbherzig interpretiertes Austrian Vitello Tonnato vom Mageren Meisel mit leider von Bord gegangenem Thunfisch. In den Etagen dar\u00fcber kann man sich f\u00fcr 89 Euro aufw\u00e4rts in ein Vintage-Paradies mit Omama-Kommoden und Gro\u00dfvaters Lounge-Fauteuils betten.<\/p>\t\t\t<\/div>\n\t\t<\/div>\n\t<\/div>\n\n\n\n\n\t\n\t\t\t

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\n\tSch\u00f6neres Nachfolgeprojekt<\/strong><\/p>\t\t\t<\/div>\n\t\t<\/div>\n\t<\/div>\n\n\n\n\n\t\n\t\t\t

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\n\t“2015 haben wir unser erstes Magdas Hotel im Prater er\u00f6ffnet”, sagt Gabriela Sonnleitner, Hotelmanagerin und Gesch\u00e4ftsf\u00fchrerin von Magdas Social Business. “Wir haben dort mit wenig Aufwand ein ehemaliges Pflegehaus der Caritas in ein Hotel mit sozialem Schwerpunkt umgebaut, in dem wir vor allem Gefl\u00fcchtete, Asylwerber und Langzeitarbeitslose besch\u00e4ftigen konnten. Aufgrund des Nutzungsvertrags hatte das Projekt ein Ablaufdatum. Umso besser, dass das Konzept seitdem reifen konnte und wir nun in zentraler, st\u00e4dtischer Lage unser noch sch\u00f6neres Nachfolgeprojekt in Angriff nehmen k\u00f6nnen.”<\/p>\t\t\t<\/div>\n\t\t<\/div>\n\t<\/div>\n\n\n\n\n\t\n\t\t\t

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\n\tFoto: Julia Geiter<\/p>\t<\/figcaption>\n<\/figure>\n\t\t\t<\/div>\n\t\t<\/div>\n\t<\/div>\n\n\n\n\n\t\n\t\t\t

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\n\tErrichtet wurde das Haus 1963 vom damaligen Dombaumeister Kurt St\u00f6gerer. Bis vor kurzem diente das schmucklose Geb\u00e4ude in der Ungargasse 38 als Priesterwohnheim, alles sehr karg und wenig hedonistisch, eher nach innen gekehrt und auf die wortlose Begegnung mit Gott ausgerichtet, lediglich die Kapelle im sechsten Stock, die wie ein betonierter Schiffsbug durch die Fassade in den Stra\u00dfenraum hinausbricht, machte schon von weitem auf die ungew\u00f6hnliche Funktion aufmerksam.<\/p>\t\t\t<\/div>\n\t\t<\/div>\n\t<\/div>\n\n\n\n\n\t\n\t\t\t

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\n\t“Viele H\u00e4user der Nachkriegszeit haben eine gewisse unaufgeregte Eleganz”, sagt Johann Moser, Partner bei BWM Architekten. “Doch dieses spezielle Haus ist eine Besonderheit, weil es irgendwie Fluch und Segen zugleich ist.” Einerseits, so der Architekt, seien viele Bauteile wie etwa W\u00e4nde, Decken und Oberfl\u00e4chenmaterialien sehr billig und zum Teil minderwertig gebaut worden. Andererseits aber sei das Haus aufgrund seiner semisakralen Nutzung so gut gepflegt und so wenig ver\u00e4ndert worden, dass sich die asketische, spirituelle Atmosph\u00e4re bis zur Gegenwart erhalten habe. “Darauf konnten wir echt gut reagieren.”<\/p>\t\t\t<\/div>\n\t\t<\/div>\n\t<\/div>\n\n\n\n\n\t\n\t\t\t

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\n\tDer Tisch war mal ein Schrank<\/strong><\/p>\t\t\t<\/div>\n\t\t<\/div>\n\t<\/div>\n\n\n\n\n\t\n\t\t\t

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\n\tDie Umbauarbeiten umfassen vor allem Reparaturen und Ert\u00fcchtigungen: Die W\u00e4nde wurden aufgedoppelt und schallisoliert, die Deckenplatten, die an einigen Stellen gerade mal f\u00fcnf Zentimeter dick waren, wurden statisch verst\u00e4rkt und bekamen einen neuen Estrich, das Erdgescho\u00df wurde entkernt, ein barrierefreier Lift wurde eingebaut, der Parkplatz auf der R\u00fcckseite des Hauses wurde wegrationalisiert und in einen Gastgarten mit Salbei, Mangold und Pfefferminze umgestaltet.<\/p>\t\t\t<\/div>\n\t\t<\/div>\n\t<\/div>\n\n\n\n\n\t\n\t\t\t

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\n\tFoto: Severin Wurnig \/ BWM Architekten<\/p>\t<\/figcaption>\n<\/figure>\n\t\t\t<\/div>\n\t\t<\/div>\n\t<\/div>\n\n\n\n\n\t\n\t\t\t

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\n\t“Die Au\u00dfenfassade”, sagt Moser, “wurde erfreulicherweise schon in den 1980er-Jahren ged\u00e4mmt und mit neuen Kunststoffisolierfenstern aufgep\u00e4ppelt. Ist zwar alles nicht wirklich sch\u00f6n, aber absolut brauchbar und auch energetisch durchschnittlich gut. Das konnten wir unver\u00e4ndert belassen \u2013 was uns im Sinne der Kreislaufwirtschaft nat\u00fcrlich sehr freut.” Die technisch gr\u00f6\u00dfte Ver\u00e4nderung liegt in der Tiefe verborgen: Um das Haus mit geothermischer Energie zu versorgen, wurde darunter 18-mal in die Tiefe gebohrt. Zur Abdeckung der Winterspitzen gibt es einen neuen Fernw\u00e4rmeanschluss. Gesamtinvestitionsvolumen: neun Millionen Euro, finanziert mit einem konditionsg\u00fcnstigen Social-Business-Kredit der Bank Austria.<\/p>\t\t\t<\/div>\n\t\t<\/div>\n\t<\/div>\n\n\n\n\n\t\n\t\t\t

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\n\tFoto: Severin Wurnig \/ BWM Architekten<\/p>\t<\/figcaption>\n<\/figure>\n\t\t\t<\/div>\n\t\t<\/div>\n\t<\/div>\n\n\n\n\n\t\n\t\t\t

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\n\tPlatz nehmen, Fritz-Kola bestellen, in ein paar Minuten wird die Men\u00fcsuppe serviert. Die Tische im Restaurant, sch\u00f6nes Ulmenfurnier, wie man es heute kaum noch irgendwo findet, waren fr\u00fcher einmal Schrankt\u00fcren, oben in den Priesterschlafzimmern. Irgendwo, sagt der Kellner, versteckt sich noch ein Schl\u00fcsselloch in der Tischplatte. Die Holzst\u00fchle, ein Entwurf des Architekten und Angewandte-Professors Franz Schuster, waren bereits im Prater-Hotel im Einsatz und wurden nun in der Caritas-Werkstatt in Retz einer Frischekur unterzogen. Und die Lampen stammen \u2013 wie auch schon die Beichtstuhlpaneele \u2013 aus besagtem Waldkloster in Favoriten. Amen.<\/p>\t\t\t<\/div>\n\t\t<\/div>\n\t<\/div>\n\n\n\n\n\t\n\t\t\t

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\n\tM\u00f6glichst viel erhalten<\/strong><\/p>\t\t\t<\/div>\n\t\t<\/div>\n\t<\/div>\n\n\n\n\n\t\n\t\t\t

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\n\t“Wir wollen nicht nur sozial, sondern auch baulich, klimatisch und \u00f6kologisch nachhaltig agieren”, sagt Hotelchefin Gabriela Sonnleitner. “Das hei\u00dft: Wir wollten m\u00f6glichst wenig von hier raustragen und wegschmei\u00dfen und m\u00f6glichst viel Klumpert erhalten.” Das kreislaufwirtschaftliche Konzept entstand in Zusammenarbeit mit den Materialnomaden, die M\u00f6belumbauten, die in den Zimmern bisweilen lustige Formate annehmen und zum Schmunzeln anregen, sind ein Kunst-am-Bau-Projekt des Wiener K\u00fcnstlers und Designers Daniel M. B\u00fcchel. Am Ende schaut\u2019s aus, als w\u00e4re es nie anders gewesen, nur mit ein bissl mehr Humor.<\/p>\t\t\t<\/div>\n\t\t<\/div>\n\t<\/div>\n\n\n\n\n\t\n\t\t\t

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\n\tFoto: Julia Geiter<\/p>\t<\/figcaption>\n<\/figure>\n\t\t\t<\/div>\n\t\t<\/div>\n\t<\/div>\n\n\n\n\n\t\n\t\t\t

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\n\tDer Beweis ist gelungen, wieder einmal. Mit seinen 85 Zimmern und 171 Betten ist das Magdas Hotel ein wirklich entz\u00fcckendes Exempel f\u00fcr Erhalt, f\u00fcr Weiterbauen, f\u00fcr Kreislaufwirtschaft. Jetzt liegt es an der Politik und Verwaltung, mit ihren Baugesetzen Projekte wieder diese nicht mehr zu erschweren, sondern zu f\u00f6rdern und Incentives f\u00fcr Investoren und Entwicklerinnen zu schaffen. Das Magdas darf keine exotische Orchidee bleiben, sondern muss zum neuen, normativen Baukulturstandard werden.<\/p>\t\t\t<\/div>\n\t\t<\/div>\n\t<\/div>\n\n\n\n\n\t\n\t\t\t

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\n\tAktuell arbeitet Wien gerade an einer Bauordnungsnovelle, die 2023 in Kraft treten soll. Diese Woche fand im Wiener Rathaus eine Enquete dazu statt. Experten und Expertinnen aus s\u00e4mtlichen technischen Bereichen gaben Impulse, was in der Novellierung alles Niederschlag finden muss. Liebe Stadt, da geht die Reise hin! Bitte anschauen und Weichen stellen, dringender Handlungsbedarf.<\/p>\t\t\t<\/div>\n\t\t<\/div>\n\t<\/div>\n\n\n\n\n\t\n\t\t\t

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\n\tErstmals publiziert am 13. November 2022 auf derstandard.at<\/a>.<\/em><\/p>\t\t\t<\/div>\n\t\t<\/div>\n\t<\/div>\n\n\n\n\n\t\n\t\t\t

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\n\tDieser Text ist urheberrechtlich gesch\u00fctzt: \u00a9 Wojciech Czaja \/ Der Standard. Bei Interesse an Wiederver\u00f6ffentlichung bitten wir um Kontaktaufnahme mit der Redaktion<\/a>. Urheberrechtliche Angaben zu Bildern, Grafiken und Videos sind direkt bei den Abbildungen bzw. am Beginn vermerkt. Titelbild: Die Bar war fr\u00fcher ein Beichtstuhl. Wo fr\u00fcher ges\u00fcndigt wurde, wird nun baukulturelle Bu\u00dfe getan. Foto: Severin Wurnig \/ BWM Architekten<\/em><\/p>\t\t\t<\/div>\n\t\t<\/div>\n\t<\/div>\n","protected":false},"excerpt":{"rendered":"

\u00d6sterreichs erstes Social-Business-Hotel hat eine neue Adresse. Das Konzept blieb gleich: Sozial, \u00f6kologisch und \u00f6konomisch nachhaltig.<\/p>\n","protected":false},"author":184,"featured_media":8985,"comment_status":"open","ping_status":"open","sticky":false,"template":"","format":"standard","meta":{"footnotes":""},"categories":[299,436],"tags":[270,449,595,372,366],"formats":[],"acf":[],"_links":{"self":[{"href":"https:\/\/tippingpoint.net\/de\/wp-json\/wp\/v2\/posts\/8984"}],"collection":[{"href":"https:\/\/tippingpoint.net\/de\/wp-json\/wp\/v2\/posts"}],"about":[{"href":"https:\/\/tippingpoint.net\/de\/wp-json\/wp\/v2\/types\/post"}],"author":[{"embeddable":true,"href":"https:\/\/tippingpoint.net\/de\/wp-json\/wp\/v2\/users\/184"}],"replies":[{"embeddable":true,"href":"https:\/\/tippingpoint.net\/de\/wp-json\/wp\/v2\/comments?post=8984"}],"version-history":[{"count":8,"href":"https:\/\/tippingpoint.net\/de\/wp-json\/wp\/v2\/posts\/8984\/revisions"}],"predecessor-version":[{"id":9232,"href":"https:\/\/tippingpoint.net\/de\/wp-json\/wp\/v2\/posts\/8984\/revisions\/9232"}],"wp:featuredmedia":[{"embeddable":true,"href":"https:\/\/tippingpoint.net\/de\/wp-json\/wp\/v2\/media\/8985"}],"wp:attachment":[{"href":"https:\/\/tippingpoint.net\/de\/wp-json\/wp\/v2\/media?parent=8984"}],"wp:term":[{"taxonomy":"category","embeddable":true,"href":"https:\/\/tippingpoint.net\/de\/wp-json\/wp\/v2\/categories?post=8984"},{"taxonomy":"post_tag","embeddable":true,"href":"https:\/\/tippingpoint.net\/de\/wp-json\/wp\/v2\/tags?post=8984"},{"taxonomy":"format","embeddable":true,"href":"https:\/\/tippingpoint.net\/de\/wp-json\/wp\/v2\/formats?post=8984"}],"curies":[{"name":"wp","href":"https:\/\/api.w.org\/{rel}","templated":true}]}}