{"id":3677,"date":"2020-01-09T00:00:00","date_gmt":"2020-01-09T00:00:00","guid":{"rendered":"https:\/\/erste-foundation.byinfinum.co\/der-balkan-gehoert-zu-europa\/"},"modified":"2021-07-07T13:37:47","modified_gmt":"2021-07-07T13:37:47","slug":"der-balkan-gehoert-zu-europa","status":"publish","type":"post","link":"https:\/\/tippingpoint.net\/de\/der-balkan-gehoert-zu-europa\/","title":{"rendered":"“Der Balkan geh\u00f6rt zu Europa.”"},"content":{"rendered":"
\n\tDie hohe Abwanderungsrate gef\u00e4hrdet die Zukunftsperspektiven des Westbalkans massiv \u2013 die Frage ist, ob eine klarere Aussicht auf einen EU-Beitritt diesen Trend umkehren kann.<\/strong><\/p>\t\t\t<\/div>\n\t\t<\/div>\n\t<\/div>\n\n\n \n\tIm Rahmen einer hochrangig besetzten Tagung in Bled (Slowenien) \u00e4u\u00dferte der Au\u00dfenminister Nordmazedoniens Nikola Dimitrov k\u00fcrzlich die Hoffnung auf den Beginn der EU-Beitrittsverhandlungen seines Landes im Oktober. Er betonte zudem, dass dieser Schritt dazu beitragen w\u00fcrde, junge Menschen davon abzubringen, ihre Heimat zu verlassen, um andernorts einen \u201eeurop\u00e4ischen Lebensstil\u201c zu f\u00fchren. Es war einer der seltenen Anl\u00e4sse, da ein f\u00fchrender Politiker eines Westbalkanstaates die Abwanderung thematisierte und die Hoffnung kundtat, der Trend k\u00f6nnte durch die richtigen Entscheidungen und die Aussicht auf einen EU-Beitritt aufgehalten werden. Die gro\u00dfe Frage ist jedoch, ob die Aufnahme von EU-Beitrittsgespr\u00e4chen, bzw. letztendlich die Mitgliedschaft in der Union, junge qualifizierte Frauen und M\u00e4nner tats\u00e4chlich \u00fcberzeugen kann, in der Region zu bleiben.<\/p>\t\t\t<\/div>\n\t\t<\/div>\n\t<\/div>\n\n\n \n\tDie sechs Westbalkanstaaten z\u00e4hlen nach wie vor zu den \u00e4rmsten Gegenden Europas und der Prozess der Angleichung an europ\u00e4ische Standards schreitet nur langsam voran.<\/p>\t\t\t<\/div>\n\t\t<\/div>\n\t<\/div>\n\n\n \n\tNoch schwieriger wird die Antwort, wenn man die sechs Westbalkanstaaten \u2013 Albanien, Bosnien, Kosovo, Montenegro, Nordmazedonien und Serbien \u2013 mit dem benachbarten Kroatien vergleicht. Dort ist die Emigrationsrate seit \u2013 und trotz \u2013 der EU-Mitgliedschaft 2013 sprunghaft angestiegen. Viele Menschen in Kroatien hofften, dass der EU-Beitritt gen\u00fcgend Anreize bieten w\u00fcrde, im eigenen Land zu bleiben, was jedoch nicht der Fall war. Kann die EU dennoch Wunder wirken? F\u00fcr die meisten Beobachter der Region sieht die Situation, was die Abwanderung anbelangt, d\u00fcster aus.<\/p>\t\t\t<\/div>\n\t\t<\/div>\n\t<\/div>\n\n\n \n\tDen aktuellsten Daten von Eurostat zufolge haben im vergangenen Jahr etwa 230.000 Menschen die Region verlassen. Die meisten Auswanderer stammten aus Albanien (62.000), gefolgt von Bosnien und Herzegowina (53.500), Serbien (51.000), Kosovo (34.500), Nordmazedonien (24.300) und Montenegro (3.000). Eine Gallup-Studie hat indes ergeben, dass rund 46 Prozent der Menschen in Serbien zwischen 15 und 29 Jahren ihre Heimat dauerhaft verlassen wollen. Bei Personen mit hohem Bildungsabschluss sind es 27 Prozent, die den Wunsch \u00e4u\u00dferten, endg\u00fcltig auszuwandern. Und die betroffenen L\u00e4nder zahlen daf\u00fcr einen hohen Preis.<\/p>\t\t\t<\/div>\n\t\t<\/div>\n\t<\/div>\n\n\n \n\tAngesichts der Tatsache, dass vier von f\u00fcnf jungen Serbinnen und Serben mit dem Gedanken spielen, auszuwandern, k\u00f6nnte diese Abwanderung von Humankapital einem Bericht der Westminster Foundation aus dem Jahr 2019 zufolge Serbien m\u00f6glicherweise bis zu 1,2 Milliarden Euro j\u00e4hrlich kosten. Kein Land in der Region kann sich das wirklich leisten. In den umliegenden Staaten ist die Situation \u00e4hnlich. Zahlen wie diese sollten jedem bewusst machen, wie dringlich das Thema ist.<\/p>\t\t\t<\/div>\n\t\t<\/div>\n\t<\/div>\n\n\n \n\tEuropa erlebt seine dramatischste und herausforderndste Zeit seit dem Ende des Zweiten Weltkrieg. Das europ\u00e4ische Projekt steht auf dem Spiel und die liberale Demokratie wird sowohl von innen als auch von au\u00dfen gefordert. Von allen Seiten der staatlichen und nicht-staatlichen Akteure ist es dringend erforderlich, sich mit den brennenden Problemen zu befassen und das, was durch das politische Friedensprojekt sorgf\u00e4ltig erreicht wurde, zu bekr\u00e4ftigen. \n\tIm Vergleich zu den Volkswirtschaften Westeuropas haben die L\u00e4nder der Region wenig zu bieten. Die sechs Westbalkanstaaten z\u00e4hlen nach wie vor zu den \u00e4rmsten Gegenden Europas und der Prozess der Angleichung an europ\u00e4ische Standards schreitet nur langsam voran. F\u00fcr die Mehrheit der lokalen politischen Eliten spielen pers\u00f6nliche Vorteile und private Gesch\u00e4ftsinteressen allem Anschein nach eine gr\u00f6\u00dfere Rolle als das Wohl der Gesellschaft. Gut bezahlte Jobs sind rar. 2018 waren 1,15 Millionen Menschen in der Region arbeitslos. Das sind zwar weniger als im Jahr zuvor, der R\u00fcckgang in Bosnien-Herzegowina und dem Kosovo war jedoch ma\u00dfgeblich durch eine h\u00f6here Erwerbslosigkeit und voraussichtliche Abwanderung bedingt, wodurch die Erwerbsquote sank. Im diesj\u00e4hrigen Bericht der Weltbank \u00fcber den Westbalkan hei\u00dft es dazu: \u201eWerden die Herausforderungen im Zusammenhang mit dem Humankapital nicht angegangen, so wird dies die Wachstumschancen und Armutsbek\u00e4mpfung erheblich einschr\u00e4nken.\u201c \n\tIn allen sechs Staaten sind die B\u00fcrgerinnen und B\u00fcrger tendenziell der Ansicht, dass eine Mitgliedschaft dem eigenen Land mehr Vor- als Nachteile bringen w\u00fcrde. Zumindest vier von f\u00fcnf Einwohnerinnen und Einwohnern dieser Staaten glauben, dass eine EU-Mitgliedschaft ihrem Land oder ihrer Region n\u00fctzen w\u00fcrde. F\u00fcr viele er\u00f6ffnen sich mit dem EU-Beitrittsprozess positive Perspektiven in vielerlei Hinsicht. Die Menschen in der Region verbinden eine Mitgliedschaft mit verbesserten Lebensstandards, Besch\u00e4ftigungswachstum, besserer Ausbildung, saubereren Stra\u00dfen, ordentlicher Abfallentsorgung und einem zivilisierteren und anst\u00e4ndigeren politischen Diskurs. Eine Mitgliedschaft verspricht ein besseres Leben.<\/p>\t\t\t<\/div>\n\t\t<\/div>\n\t<\/div>\n\n\n \n\tBislang jedoch haben die Bem\u00fchungen der EU, ihre transformative Kraft auf die lokale Ebene und die Menschen zu \u00fcbertragen, keine nachhaltigen Ver\u00e4nderungen bewirkt \u2013 weder in der Politik noch in den Abl\u00e4ufen. Zudem bleiben die Menschen dem politischen Diskurs in ihren L\u00e4ndern weitgehend fern. Auf Seiten der EU steht die Erweiterung schon seit Jahren nicht mehr auf der Tagesordnung. Der mangelnde Wille zu einer Erweiterung seitens der wichtigsten EU-L\u00e4nder hat wenig \u00fcberraschend dazu gef\u00fchrt, dass immer mehr Menschen auf dem Westbalkan glauben, ihre Region werde nie Teil der EU werden. Deshalb entschlie\u00dfen sie sich, zu emigrieren \u2013 in die EU.<\/p>\t\t\t<\/div>\n\t\t<\/div>\n\t<\/div>\n\n\n\n\tEurope’s Futures<\/h2>\n\t
Zwischen 2018 und 2021 engagieren sich jedes Jahr sechs bis acht f\u00fchrende europ\u00e4ische Expertinnen und Experten als Europe’s Futures<\/a> Fellows. Sie schaffen damit eine einzigartige eine Plattform der Ideen, um grundlegende Ma\u00dfnahmen zu pr\u00e4sentieren, deren Ziel es ist, die Vision und Realit\u00e4t Europas zu st\u00e4rken und voranzutreiben. Europe’s Futures basiert auf eingehenden Untersuchungen, konkreten politischen Vorschl\u00e4gen und dem Austausch mit staatlichen und zivilgesellschaftlichen Akteuren, dem \u00f6ffentlichen Diskurs und Medien.<\/p>\n\t<\/div>\n<\/div>\n\t<\/div>\n\n<\/div>\n\n\n\n
\u201cMehr Europa\u201d? <\/strong>
Nicht jeder verl\u00e4sst seine Heimat aus rein wirtschaftlichen Interessen. Berichten zufolge fl\u00fcchten viele vor der \u201evergifteten\u201c Atmosph\u00e4re und dem eklatanten Mangel an Perspektiven. Ein \u201eMehr Europa\u201c am Westbalkan k\u00f6nnte m\u00f6glicherweise zu einem Umdenken f\u00fchren. Auch wenn die Menschen in der Region von den jahrzehntelangen leeren Versprechungen der lokalen Eliten desillusioniert sind, ist die Vision einer langfristigen EU-Perspektive nach wie vor ungebrochen.<\/p>\t<\/div>\n\n<\/div>\n\n<\/div>\n\t\t\t<\/div>\n\t\t<\/div>\n\t<\/div>\n\n\n