{"id":3633,"date":"2019-07-18T00:00:00","date_gmt":"2019-07-18T00:00:00","guid":{"rendered":"https:\/\/erste-foundation.byinfinum.co\/frauenpower-im-kosovo\/"},"modified":"2021-08-24T13:24:11","modified_gmt":"2021-08-24T13:24:11","slug":"frauenpower-im-kosovo","status":"publish","type":"post","link":"https:\/\/tippingpoint.net\/de\/frauenpower-im-kosovo\/","title":{"rendered":"Frauenpower im Kosovo"},"content":{"rendered":"\n\n\t\n\t\t\t
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\n\tVor zehn Jahren erkl\u00e4rte der Kosovo seine Unabh\u00e4ngigkeit. Bis heute sind die Frauen des Landes jedoch nicht v\u00f6llig frei. Die Feministin Zana Hoxha Krasniqi k\u00e4mpft mit Gleichgesinnten daf\u00fcr, dass sich das endlich \u00e4ndert. <\/strong><\/p>\t\t\t<\/div>\n\t\t<\/div>\n\t<\/div>\n\n\n\n\n\t\n\t\t\t

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\n\tDas Nachtleben pulsiert. Scharenweise tummeln sich junge Frauen und M\u00e4nner auf dem Mutter-Teresa-Boulevard, der Fu\u00dfg\u00e4ngerzone inmitten von Pristina. Sie dr\u00e4ngen sich in eines der unz\u00e4hligen Caf\u00e9s und Restaurants oder spazieren \u00fcber den gro\u00dfen Hauptplatz. Nirgendwo sonst in Europa ist der Anteil von Menschen unter 30 an der Gesamtbev\u00f6lkerung so hoch wie hier im Kosovo. Das sorgt f\u00fcr viele Konflikte. Vor allem junge Frauen, die mit Mom-Jeans, ausgeschnittenen Tops, Goldschmuck und starkem Make-Up in den hippen Lokalen sitzen, einen l\u00e4ssigen Style, eine coole Attit\u00fcde und einen westlichen Lebensstil pflegen, leiden unter den traditionellen Gesellschaftsstrukturen. <\/p>\t\t\t<\/div>\n\t\t<\/div>\n\t<\/div>\n\n\n\n\n\t\n\t\t\t

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\n\tDer Schein tr\u00fcgt<\/strong>

Vieles vom Lebensstil, den man am Mutter-Teresa-Boulevard beobachten kann, sei Fassade, erkl\u00e4rt Zana Hoxha Krasniqi. Die Theaterdirektorin und Aktivistin rief 2012 das FemArt<\/em>-Festival in Pristina ins Leben. Seitdem ist dieses ein Ort des Zusammentreffens und des Austausches f\u00fcr junge K\u00fcnstler und Aktivisten, die vom ganzen Balkan kommen. Es ginge dabei nicht nur darum, sich lautstark Geh\u00f6r zu verschaffen, sagt Hoxha Krasniqi. Das FemArt<\/em>-Festival solle eine Plattform sein, auf der sich K\u00fcnstler aus der Region und den anderen Westbalkanstaaten, in denen sich die Situation von Frauen nicht wesentlich von der im Kosovo unterscheidet, pr\u00e4sentieren k\u00f6nnen. \u201eDurch ihre Arbeit vermitteln sie Werte wie Menschenrechte, Friede, Respekt und Toleranz\u201c, sagt die Gr\u00fcnderin des Festivals, das versucht, neue Ideen zu finden, um den feministischen Gedanken im j\u00fcngsten Staat Europas voranzubringen.
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\n\t\u201eFeminismus wird im Kosovo h\u00e4ufig mit Tabus und Missverst\u00e4ndnissen verbunden.\u201c<\/p>

\n\t\u2014 Zana Hoxha Krasniqi
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\n\t\u201eFeminismus wird im Kosovo h\u00e4ufig mit Tabus und Missverst\u00e4ndnissen verbunden\u201c, sagt Krasniqi. Das traditionelle Frauenbild sei vor allem vor der Unabh\u00e4ngigkeit im Jahr 2008 extrem veraltet gewesen: Der Mann war der Herr im Haus, die Frau sollte sich um den Haushalt und die Kinder k\u00fcmmern. Junge M\u00e4dchen wurden \u2013 oft gerade vollj\u00e4hrig und gegen ihren Willen \u2013 verheiratet. H\u00e4usliche Gewalt gegen Frauen stand und steht immer noch auf der Tagesordnung. <\/p>\t\t\t<\/div>\n\t\t<\/div>\n\t<\/div>\n\n\n\n\n\t\n\t\t\t

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\n\tFemArt-Festival<\/h2>\n\t
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\n\tDas FemArt<\/em>-Festival wurde 2018 bereits zum sechsten Mal veranstaltet. In der Hauptstadt Pristina und in den Orten Ferizaj und Mitrovica gab es an sechs Tagen Diskussionsrunden, k\u00fcnstlerische Performances, Konzerte, Ausstellungen und Filmvorf\u00fchrungen. Mehr als 220 K\u00fcnstler und Aktivisten aus aller Welt nahmen in diesem Jahr daran teil.

Foto: Einmal im Jahr bringt das FemArt<\/em>-Festival Aktivistinnen vom ganzen Balkan nach Pristina. \u00a9 FemArt<\/em>-Festival<\/em><\/p>\n\t<\/div>\n<\/div>\n\t<\/div>\n\n<\/div>\n\n\n\n

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\n\tEiner Umfrage des Frauennetzwerk Kosovo aus dem Jahr 2015 zufolge, erlebten mehr als zwei Drittel der weiblichen Bev\u00f6lkerung in ihrem Leben h\u00e4usliche Gewalt. 90 Prozent der F\u00e4lle wurden nicht angezeigt, sch\u00e4tzen Experten. 2017 \u00e4u\u00dferten sich Frauen erstmals \u00f6ffentlich im Fernsehen zu den Vergewaltigungen, die sie im Kosovokrieg zwischen 1998 und 1999 erleiden mussten. Damit brachen sie ein Tabu.

Die Gr\u00fcnde f\u00fcr die verschleppte Entwicklung sieht auch Krasniqi in dem patriarchalen Gesellschaftssystem der Balkanstaaten. Der Kanun<\/em>, das alte, zun\u00e4chst m\u00fcndlich \u00fcberlieferte Gewohnheitsrecht der Albaner und Kosovaren, wirke sich auch heute noch stark auf das Leben der Menschen aus: \u201eEine Frau ist nach ihrer Heirat der Besitz des Mannes\u201c oder \u201eIhr Auftrag besteht darin, Kinder zu geb\u00e4ren: Die Frau ist ein Schlauch, in dem die Ware transportiert wird\u201d, hei\u00dfe es dort etwa. Im l\u00e4ndlichen Raum sei diese Einstellung noch viel st\u00e4rker verbreitet. Auch die dort lebenden Menschen will das FemArt<\/em>-Festival ansprechen. Zum ersten Mal fanden letztes Jahr Veranstaltungen in kleineren Orten wie Ferizaj und Mitrovica statt. F\u00fcr Krasniqi ist das ein gro\u00dfer Schritt, um der Voreingenommenheit der Landbev\u00f6lkerung entgegenzuwirken.

Krasniqi erinnert sich dabei an eine pr\u00e4gende Geschichte aus ihrem Leben: Anfang zwanzig heiratete sie ihren Freund, kurze Zeit sp\u00e4ter erwartete sie ein Kind. Als sie dann ihren Heimatort, ein kleines Dorf au\u00dferhalb von Pristina besuchte, traf sie einen alten Bekannten, der zu ihr sagte: \u201eOh Zana, du warst eine so vielversprechende Frau. Nun schau dich an: verheiratet und schwanger.\u201c \u00dcber diese Aussage sei sie w\u00fctend gewesen. Sie wollte nicht nur Mutter und Ehefrau sein, sondern jemand, der bewegt. Die Begegnung habe ihr Leben ver\u00e4ndert, erz\u00e4hlt sie. Eine Initialz\u00fcndung f\u00fcr ihr feministisches Engagement.
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\n\tEndlich keine Tabus mehr<\/strong>

Seither setzt Krasniqi sich f\u00fcr Frauenrechte im Kosovo ein. 2004 gr\u00fcndete sie die Organisation Artpolis<\/em>, die versucht, den sozialen Dialog auf k\u00fcnstlerische Art voranzutreiben. Ziel ist es, Menschen unterschiedlicher ethnischer, sozialer oder religi\u00f6ser Hintergr\u00fcnde sowie sexueller Orientierung einzubinden, \u00fcber Tabuthemen zu sprechen und Vorurteile der Gesellschaft zu widerlegen.

Das FemArt<\/em>-Festival ist Teil dieser Bewegung und entpuppt sich dabei als \u00e4u\u00dferst erfolgreich. Viele nationale und internationale Aktivisten besuchen jedes Jahr die Veranstaltungen. W\u00e4hrend der Festival-Woche finden Vortr\u00e4ge und Diskussionen statt, au\u00dferdem werden Filme gezeigt, in denen es beispielsweise um die Themen Vergewaltigung oder Zwangsheirat geht. <\/p>\t\t\t<\/div>\n\t\t<\/div>\n\t<\/div>\n\n\n\n\n\t\n\t\t\t

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\n\tPostcards from Albania<\/h2>\n\t
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\n\tPostcards from Albania<\/a> ist ein journalistisches Rechercheprojekt von Studierenden des Studiengangs Journalismus und PR der FH Joanneum in Graz. Im Fr\u00fchsommer 2018 berichtete das 19-k\u00f6pfige Redaktionsteam live von seiner zehnt\u00e4gigen Recherchreise durch den Westbalkan. erstestiftung.org<\/em> teilt ausgew\u00e4hlte Artikel aus dem daraus entstandenen umfassenden Online- und Printmagazin und hat diese ins Englische \u00fcbersetzt.

Grafik: \u00a9 Margit Steidl \/ Studiolo M<\/em><\/p>\n\t<\/div>\n<\/div>\n\t<\/div>\n\n<\/div>\n\n\n\n

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\n\t2018 hielt die kosovarische Menschenrechtsaktivistin Feride Rushiti eine der emotionalsten Reden: Als Direktorin des Kosovo-Zentrums f\u00fcr die Rehabilitation von Folteropfern<\/em> gab sie mit zitternder Stimme und Tr\u00e4nen in den Augen tiefe Einblicke in die Schicksale traumatisierter Vergewaltigungsopfer, die w\u00e4hrend des Kosovokrieges missbraucht wurden. Nichts sei f\u00fcr kosovarische Frauen wichtiger, als dieses Thema endlich offen ansprechen zu k\u00f6nnen und es damit zu enttabuisieren. Den Opfern solle geholfen, die T\u00e4ter m\u00fcssten endlich zur Rechenschaft gezogen werden.

Im Publikum sa\u00dfen vor allem junge Frauen, gr\u00f6\u00dftenteils Studentinnen und Sch\u00fclerinnen. Auch einige wenige M\u00e4nnern fanden an diesem Abend her. Betretenes Schweigen herrschte im dunklen Saal des Oda Theaters<\/em> in Pristina nach Rushitis Auftritt. Die Anwesenden sp\u00fcrten, dass ein Umbruch in greifbare N\u00e4he r\u00fccken k\u00f6nnte.

Gro\u00dfe Hoffnung verbinden viele von ihnen mit der Europ\u00e4ischen Union. Auch Krasniqi w\u00fcnscht sich einen EU-Beitritt des Kosovo und, dass die Einwohner des Landes endlich als Europ\u00e4er wahrgenommen werden. Sie glaubt, dass vor allem die weibliche Bev\u00f6lkerung nicht nur f\u00fcr ihre eigenen Rechte, sondern auch die ihres Landes k\u00e4mpfen werde. Deshalb ist sie sich \u2013 getreu des diesj\u00e4hrigen FemArt<\/em>-Mottos \u201eRun The Show\u201c \u2013 sicher, dass es am Ende auch die Frauen sein werden, die den Staat in die EU f\u00fchren.<\/p>\t<\/div>\n\n<\/div>\n\n<\/div>\n\t\t\t<\/div>\n\t\t<\/div>\n\t<\/div>\n\n\n\n\n\t\n\t\t\t

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\n\tErstmals publiziert im November 2018 in der Printversion von Postcards from Albania<\/a>.

Dieser Text ist urheberrechtlich gesch\u00fctzt: \u00a9 Linda Schwarz. Bei Interesse an Wiederver\u00f6ffentlichung bitten wir um Kontaktaufnahme mit der
Redaktion<\/a>.
Urheberrechtliche Angaben zu Bildern, Grafiken und Videos sind direkt bei den Abbildungen vermerkt. Titelbild: Die geb\u00fcrtige Kosovarin Zana Hoxha Krasniqi hat das FemArt-Festival ins Leben gerufen. Sie k\u00e4mpft f\u00fcr die Rechte der Frauen im Kosovo. Foto: \u00a9 Ramona Arzberger<\/em><\/p>\t\t\t<\/div>\n\t\t<\/div>\n\t<\/div>\n","protected":false},"excerpt":{"rendered":"

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