{"id":3596,"date":"2019-03-19T00:00:00","date_gmt":"2019-03-19T00:00:00","guid":{"rendered":"https:\/\/erste-foundation.byinfinum.co\/wahrheit-und-gerechtigkeit\/"},"modified":"2021-08-23T11:17:08","modified_gmt":"2021-08-23T11:17:08","slug":"wahrheit-und-gerechtigkeit","status":"publish","type":"post","link":"https:\/\/tippingpoint.net\/de\/wahrheit-und-gerechtigkeit\/","title":{"rendered":"Wahrheit und Gerechtigkeit"},"content":{"rendered":"\n\n\t\n\t\t\t
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\n\tIn keinem anderen EU-Land gibt es mehr unfaire Gerichtsverfahren als in Rum\u00e4nien. Angesichts des heftig umstrittenen Justizsystems stehen Opfer von Justizirrt\u00fcmern vor einem m\u00fchsamen Kampf.<\/strong><\/p>\t\t\t<\/div>\n\t\t<\/div>\n\t<\/div>\n\n\n\n\n\t\n\t\t\t

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\n\tAls die Polizei an einem eisigen J\u00e4nnermorgen sein Haus umstellte, wusste Petric\u0103 Manolachi, dass es vorbei war. Der 29-j\u00e4hrige Handwerker war vor sechs Jahren untergetaucht. Er wollte auf keinen Fall zur\u00fcck ins Gef\u00e4ngnis \u2013 wegen eines Raub\u00fcberfalls, den er nicht begangen hatte. Doch jetzt st\u00fcrmten Polizeibeamte sein Haus in Ia\u015fi im Nordosten Rum\u00e4niens, stie\u00dfen seine Freundin und das schreiende Baby zur Seite und legten ihm Handschellen an. \u201eIch konnte einfach nicht glauben, dass man f\u00fcr etwas, das man nicht getan hatte, verhaftet werden k\u00f6nnte\u201c, meint der mittlerweile 39-J\u00e4hrige, wenn er an jenen Tag zur\u00fcckdenkt. \u201eEs war wie im Film, wenn jemand gegen die Justiz k\u00e4mpft.\u201c Jener Tag im Winter 2010 bedeutete f\u00fcr Manolachi den Tiefpunkt eines Kampfes, der ihm, wie er sagt, die besten Jahre seines Lebens geraubt hatte \u2013 und ihn auch weiterhin aufzehrt, w\u00e4hrend er in einem Land mit der EU-weit schlechtesten Bilanz, was unfaire Gerichtsverfahren anbelangt, um Schadensersatz k\u00e4mpft.


Geht es um die Verletzung des Rechts auf ein faires Verfahren und andere Vers\u00e4umnisse, die laut Europ\u00e4ischem Gerichtshof f\u00fcr Menschenrechte (EGMR) ein ordentliches Gerichtsverfahren unm\u00f6glich machen, so nimmt Rum\u00e4nien im Vergleich zu allen anderen 27 EU-Mitgliedstaaten einen Spitzenplatz ein. Au\u00dferhalb der Europ\u00e4ischen Union stellen nur Russland, die T\u00fcrkei und die Ukraine einen noch traurigeren Rekord auf, wie aus den aktuellsten Zahlen des Gerichtshofs in Stra\u00dfburg hervorgeht, dessen Jurisdiktion 47 L\u00e4nder, die Mitglieder des Europarats sind, unterstehen. Faire Gerichtsbarkeit ist in einem Land wie Rum\u00e4nien ein brisantes Thema. Seit Mitte 2016 treibt die regierende Sozialdemokratische Partei (PSD) weitreichende Gesetzesreformen voran, die ihrer Meinung dringend notwendig sind, um Richterinnen und Richter, Staatsanw\u00e4ltinnen und Staatsanw\u00e4lte st\u00e4rker als bisher f\u00fcr Fehlurteile zur Rechenschaft ziehen zu k\u00f6nnen. Zu den Reformen z\u00e4hlen die Schaffung einer mit Ermittlungen gegen Justizbedienstete befassten Sondereinheit sowie neue Befugnisse f\u00fcr den Justizminister zur Ernennung von Generalstaatsanw\u00e4lten. Die meisten Vertreter der Justiz und viele internationale Beobachter sind jedoch der Ansicht, dass es bei diesen \u00c4nderungen eher darum gehe, die Unabh\u00e4ngigkeit der Gerichte einzuschr\u00e4nken und weniger darum, die Rechte rum\u00e4nischer B\u00fcrgerinnen und B\u00fcrger zu sch\u00fctzen. Den Reformen gehen jahrelange, im Fokus der \u00d6ffentlichkeit stehende Korruptionsverfahren gegen hochrangige Beamte voraus.


W\u00e4hrend die Reformen das Land spalten, meinen Bef\u00fcrworter einer fairen Prozessf\u00fchrung, dass die Kontroverse von den eigentlichen M\u00e4ngeln im Justizsystem ablenke \u2013 von ausufernden Rechtsverletzungen durch Ermittlungsbeamte der Polizei bis hin zu mangelhaftem staatlichen Rechtsbeistand und einer Praxis im Gerichtssaal, in der die Angeklagten allzu oft f\u00fcr schuldig befunden werden, bis ihre Unschuld bewiesen ist. Kritikern zufolge versch\u00e4rfen sich die Ungerechtigkeiten bisweilen durch lange Untersuchungshaften \u2013 sogar bei Bagatelldelikten \u2013 sowie Fehler durch \u00fcberforderte Richter, die kaum Zeit haben, um Beweise abzuw\u00e4gen. In Rum\u00e4nien gibt es keine Schwurgerichtsverfahren, weshalb die Richter allein f\u00fcr ihre Urteile verantwortlich sind. Remus Budai, ein Staatsanwalt der Generalstaatsanwaltschaft in Bukarest, stellte einen Vergleich mit einer Sportveranstaltung an, um zu illustrieren, wie es sich zuweilen anf\u00fchlt, in einem Justizsystem zu arbeiten, das alles andere als perfekt ist. \u201eWenn du dir ein Fu\u00dfballspiel im Fernsehen anschaust, dann siehst du, wenn sich der Schiedsrichter irrt\u201c, erkl\u00e4rte er dem Balkan Investigative Reporting Network (BIRN). \u201eDr\u00fcckt man dir aber die Pfeife in die Hand, dann wirst du nicht immer wissen, was du damit tun sollst.\u201c
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\n\tPetric\u0103 Manolachi auf einer Bank in Ia\u015fi. Manolachi k\u00e4mpft um Schadensersatz f\u00fcr ein Leben, das seiner Meinung nach durch ein Fehlurteil zerst\u00f6rt wurde. Foto: \u00a9 Lorelei Mihala<\/p>\t<\/figcaption>\n<\/figure>\n\t\t\t<\/div>\n\t\t<\/div>\n\t<\/div>\n\n\n\n\n\t\n\t\t\t

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\n\t\u201eKeine Chance\u201c<\/strong>

W\u00e4hrend er seinen geliebten Rover-Oldtimer achtsam durch die Stra\u00dfen von Ia\u015fi steuert, das Lenkrad mit schwarzen Lederhandschuhen umfasst, erinnert sich Manolachi an eine Zeit, als all die Missst\u00e4nde des Rechtssystems sich gegen ihn verschworen zu haben schienen. Sein Albtraum begann 2002: Er war 22 Jahre alt und hatte soeben erst den Pflichtwehrdienst beendet. Eines Tages wurde er von der Polizei vorgeladen und zu einer lokalen Straftat verh\u00f6rt. Drei M\u00e4nner h\u00e4tten angeblich an der T\u00fcr einer 80-j\u00e4hrigen Frau gel\u00e4utet und vorgegeben, Geld f\u00fcr die Kirche zu sammeln. Zwei von ihnen seien dann in die Wohnung eingedrungen und h\u00e4tten Bargeld und Schmuck erbeutet. Manolachi verbrachte drei Tage in einer Gef\u00e4ngniszelle. Er verweigerte die Aussage, bis man ihm schlie\u00dflich einen Anwalt zuwies.

Er behauptet, von vier Polizeibeamten geschlagen worden zu sein. Seine Eltern brachten diese Anschuldigung vor die Milit\u00e4rstaatsanwaltschaft, die f\u00fcr Beschwerden gegen die Polizei zust\u00e4ndig ist. Doch laut dieser reichten die Beweise nicht aus, um die Behauptung zu best\u00e4tigen. Manolachi wurde als Mitt\u00e4ter in diesem Raub\u00fcberfall angeklagt und verbrachte die n\u00e4chsten acht Monate und drei Wochen in Untersuchungshaft in einem Hochsicherheitsgef\u00e4ngnis in Ia\u015fi, wo er sich eine mit 30 schmalen Stockbetten ausgestattete Zelle mit beinah 50 anderen M\u00e4nnern teilen musste. Manolachi wurde beschuldigt, vor dem Haus des Opfers Wache gestanden zu haben, w\u00e4hrend zwei andere M\u00e4nner die Wertsachen der Frau an sich nahmen. Er hatte ein Alibi: Er sagte, er w\u00e4re zur besagten Zeit bei seiner Freundin gewesen. Hoffnung, man w\u00fcrde ihm glauben, hatte er keine, dazu fehlte ihm das Vertrauen in das Justizsystem.
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\n\tGeht es um die Verletzung des Rechts auf ein faires Verfahren, so nimmt Rum\u00e4nien im Vergleich zu allen anderen 27 EU-Mitgliedstaaten einen Spitzenplatz ein.<\/p>\t\t\t<\/div>\n\t\t<\/div>\n\t<\/div>\n\n\n\n\n\t\n\t\t\t

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\n\t\u201eIch hatte mich bereits darauf eingestellt, meine Zeit abzusitzen\u201c, erz\u00e4hlt Manolachi in einem Interview bei sich zuhause in Ia\u015fi. \u201eDas ist Rum\u00e4nien und du hast keine Chance, da rauszukommen.\u201c Zu seiner Erleichterung sprach ihn das Gericht mangels Beweisen frei. (Die beiden anderen M\u00e4nner wurden verurteilt \u2013 Ghiciuc Bogdan Dumitru zu sechs Jahren und sechs Monaten, Damian Constantin zu f\u00fcnf Jahren und vier Monaten.) \u201eAls ich die Haftanstalt verlie\u00df, meinte der Beamte: \u201aLassen Sie mich das noch einmal \u00fcberpr\u00fcfen \u2014 ich habe schon seit Jahren nicht mehr erlebt, dass jemand freigesprochen wurde\u2018\u201c, erinnert sich Manolachi.

Seine Entlassung entpuppte sich jedoch bald als grausamer Scherz. Die Staatsanwaltschaft legte Berufung ein und der Freispruch wurde aufgehoben. Angesichts einer drohenden Gef\u00e4ngnisstrafe von f\u00fcnf Jahren zog er vor das rum\u00e4nische H\u00f6chstgericht, den Obersten Gerichts- und Kassationshof. Er verlor. Da entschloss er sich, unterzutauchen. \u201eDu verlierst komplett die Kontrolle \u2014 du hast keine Ahnung, wohin du gehen sollst, wenn du wei\u00dft, dass du freigesprochen wurdest und jetzt verurteilt bist\u201c, sagt er. \u201eF\u00fcnf Jahre, die dir einfach genommen werden, \u2026 dabei hast du nichts Unrechtes getan.\u201c Manolachi entging der Festnahme durch h\u00e4ufige Wohnsitzwechsel und bar bezahlte Gelegenheitsjobs. Noch w\u00e4hrend seiner Flucht reichte er beim EGMR Beschwerde ein. Die Jahre vergingen, er erhielt jedoch keine Antwort.

Die Polizei wurde schlie\u00dflich kurz nach der Geburt seines Sohnes im J\u00e4nner 2010 seiner habhaft, nachdem man ihn aufgrund der Angaben in der Geburtsurkunde ausfindig gemacht hatte. Manolachi landete sofort wieder im Gef\u00e4ngnis, auch wenn die Haftstrafe wegen der jahrelangen Flucht nicht verl\u00e4ngert wurde. Er verb\u00fc\u00dfte beinah drei Jahre in zwei verschiedenen Haftanstalten, bevor er im August 2012 auf Bew\u00e4hrung entlassen wurde. W\u00e4hrend der Haft heiratete er seine Freundin. Im Jahr nach seiner Entlassung erreichte ihn pl\u00f6tzlich der Entscheid des EGMR, der urteilte, dass seine Rechte verletzt worden waren. Der EGMR hielt fest, dass Manolachi nach dem urspr\u00fcnglichen Freispruch nicht ohne neue Beweise verurteilt h\u00e4tte werden d\u00fcrfen.

Auch habe das Gericht es verabs\u00e4umt, Manolachi oder Zeugen anzuh\u00f6ren, und seine Entscheidung allein basierend auf den gegen\u00fcber der Polizei gemachten Aussagen sowie Zeugenaussagen aus dem vorherigen Prozess getroffen. Der Fall wurde neu aufgerollt. Im April 2017 hob das Berufungsgericht in Ia\u015fi die Verurteilung auf und sprach ihn frei. Manolachi klagt den Staat nun auf Schadensersatz \u2013 er fordert eine knappe Million Euro.

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\n\t\u201eFehlurteile\u201c<\/strong>

Laut Fair Trials, einer in Br\u00fcssel ans\u00e4ssigen NGO, die sich f\u00fcr Strafverfahrensrechte einsetzt, sind Gerichtsverfahren nur dann als fair anzusehen, wenn dem oder der Beschuldigten gewisse nicht verhandelbare Rechte zugesichert werden. Dies schlie\u00dft das Recht auf anwaltliche Vertretung und Zugang zu Informationen sowie die Unschuldsvermutung mit ein. \u201eEs obliegt dem Staat nachzuweisen, dass du schuldig bist, nicht dir zu beweisen, dass du unschuldig bist\u201c, so Fair-Trials-Sprecher Gianluca Cesaro.
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\n\t\u201eEs obliegt dem Staat nachzuweisen, dass du schuldig bist, nicht dir zu beweisen, dass du unschuldig bist.\u201c<\/p>

\n\t\u2014 Gianluca Cesaro, FairTrialsSprecher <\/p>\t\t\t<\/div>\n\t\t<\/div>\n\t<\/div>\n\n\n\n\n\t\n\t\t\t

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\n\tDaten des rum\u00e4nischen Justizministeriums zufolge forderten zwischen 2011 und 2018 \u00fcber 27.000 wegen einer Straftat in Rum\u00e4nien verurteilte Personen anhand von Rechtsmitteln wie \u201eRevision\u201c und \u201eNichtigkeitsklage\u201c eine Wiederaufnahme ihrer Verfahren. Die Gerichte stimmten 242 Neuverhandlungen zu und 17 Personen wurden infolgedessen freigesprochen. Ein Wiederaufnahmeverfahren ist zul\u00e4ssig, wenn neue Beweise vorgebracht werden oder wenn der EGMR entscheidet, dass die Rechte des oder der Angeklagten verletzt wurden. Ebenfalls zwischen 2011 und 2018 forderten 688 Menschen vor Gericht Schadensersatz, um Justizirrt\u00fcmer \u201ezu reparieren\u201c. 80 h\u00e4tten Anspruch auf finanzielle Entsch\u00e4digung bekommen, so das Ministerium. \u00dcber die H\u00f6he dieser Entsch\u00e4digungssummen standen keine Daten zur Verf\u00fcgung.
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\n\tMangel an ordentlichen Gerichtsverfahren in Rum\u00e4nien. Das Kreisdiagramm zeigt die Anzahl an Verst\u00f6\u00dfen gegen das Recht auf ein ordentliches Gerichtsverfahren in Rum\u00e4nien 2017 laut der h\u00f6chsten Instanz f\u00fcr Menschenrechte in Europa. Verst\u00f6\u00dfe: Recht auf ein faires gerichtliches Verfahren \/ Unmenschliche oder erniedrigende Behandlung \/ Mangel an wirksamen Ermittlungen \/ Verfahrensdauer. Quelle: Europ\u00e4ischer Gerichtshof f\u00fcr Menschenrechte
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\n\t\u00dcbergangene Beweise<\/h2>\n\t
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\n\tDer bekannteste Fall eines Justizirrtums in Rum\u00e4nien ist Marcel Tundrea, der wegen Vergewaltigung und Mordes an einem 14-j\u00e4hrigen M\u00e4dchen 1992 im Dorf Pojogeni im S\u00fcden des Landes zu 25 Jahren Haft verurteilt wurde.
Tundrea war 42, als er verurteilt wurde. Zw\u00f6lf Jahre sp\u00e4ter konnte mit DNA-Proben, die zum Zeitpunkt seines ersten Prozesses nicht vorlagen, nachgewiesen werden, dass er nicht der M\u00f6rder war. Er wurde 2004 aus der Haft entlassen.
Remus Budai, Mitglied der Generalstaatsanwaltschaft, wurde ernannt, den ungel\u00f6sten Fall nach Tundreas Entlassung zu bearbeiten.
\u201eIch war zu Beginn sehr voreingenommen, weil ich nicht glauben wollte, dass unser Justizsystem einen derart gravierenden Fehler machen k\u00f6nnte\u201c, sagte er. \u201eEs gab ein paar Dinge, die nicht richtig schienen.\u201c Im Zuge seiner Untersuchung stie\u00df Budai auf Ungereimtheiten, die er Ion Diaconescu, dem f\u00fcr Tundreas Prozess zust\u00e4ndigen Staatsanwalt, zuschrieb. Dazu z\u00e4hlten das \u00dcbergehen wichtiger Beweismittel sowie das Vers\u00e4umnis, Gheorghe Avram in den Zeugenstand zu rufen, der, wie der Polizei bekannt war, als einer der letzten das M\u00e4dchen lebend gesehen hatte. Der von BIRN eingesehenen Anklageschrift der Generalstaatsanwaltschaft zufolge kam Budai zu dem Schluss, dass Diaconescu Amtsmissbrauch begangen hatte \u2013 eine Straftat, die zum damaligen Zeitpunkt mit bis zu drei Jahren Haft geahndet wurde. Aufgrund der Verj\u00e4hrungsfrist von f\u00fcnf Jahren f\u00fcr diese Art von Straftaten konnte jedoch keine Klage gegen Diaconescu erhoben werden. Dan Antonescu, vormals Leiter der Mordkommission der Bukarester Polizei, meinte: \u201eWir sprechen hier von einem Staatsanwalt, der vors\u00e4tzlich einige Beweise \u00fcbergangen hat. Er wollte Tundreas Alibis nicht \u00fcberpr\u00fcfen, ein Fehler, der mindestens zwei, sogar drei Mal passierte.\u201c
2010 ordnete Budai einen DNA-Test von Avram an, der bewies, dass dieser der M\u00f6rder war.
Tundrea erfuhr nie von Avrams Verurteilung.
Er starb 2007 an einer Lungenerkrankung, die er sich im Gef\u00e4ngnis zugezogen hatte. Er wurde posthum freigesprochen.
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\n\tLaut eigenen Statistiken hat der in Stra\u00dfburg ans\u00e4ssige EGMR im selben Jahr 49 Beschwerden wegen Verletzung von Rechten in Zusammenhang mit einem ordnungsgem\u00e4\u00dfen Gerichtsverfahren in Rum\u00e4nien stattgegeben. Der EGMR urteilt nicht dar\u00fcber, ob jemand unschuldig oder schuldig ist, sondern nur, ob gegen die Rechte dieser Person versto\u00dfen wurde.

Neben elf Verst\u00f6\u00dfen gegen das Grundrecht auf ein faires Verfahren betrafen die vom EGMR stattgegebenen Beschwerden 20 F\u00e4lle menschenunw\u00fcrdiger bzw. erniedrigender Behandlung, 12 F\u00e4lle unsachgem\u00e4\u00dfer Ermittlungen und sechs F\u00e4lle \u00fcberm\u00e4\u00dfig langer Verfahren. Das Gericht befasste sich 2017 mit 3.981 Antr\u00e4gen aus Rum\u00e4nien. Viele Urteile betrafen \u00e4ltere Beschwerden, da es mehrere Jahre dauern kann, bis der EGMR zu einer Entscheidung gelangt.

Nur drei Mitgliedsl\u00e4nder des Europarats wiesen 2017 laut EGMR betreffend unfaire Verfahren eine noch schlechtere Bilanz auf. In Russland gab es 217 Verst\u00f6\u00dfe gegen verschiedene Rechte auf ein ordnungsgem\u00e4\u00dfes Verfahren, w\u00e4hrend es in der Ukraine 78 und der T\u00fcrkei 62 F\u00e4lle waren. Am anderen Ende der Skala befinden sich laut EGMR-Urteilen nur zehn L\u00e4nder, die \u00fcberhaupt keine Verst\u00f6\u00dfe gegen das Recht auf ein ordentliches Gerichtsverfahren aufwiesen: Albanien, Andorra, D\u00e4nemark, Irland, Liechtenstein, Luxemburg, Malta, Norwegen, San Marino und Schweden.

Befragt nach Rum\u00e4niens schlechter Bilanz hinsichtlich Entscheidungen des EGMR meinte Ana Mihaila, eine Sprecherin des Justizministeriums, dass das Land \u00fcber den \u201ekonstitutionellen und infrakonstitutionellen und rechtlichen Rahmen\u201c verf\u00fcge, der notwendig ist, damit Menschen von ihrem Recht auf ein faires Verfahren Gebrauch machen k\u00f6nnen.

Cristi Danilet, ein Richter am Gerichtshof von Cluj im Westen Rum\u00e4niens und ehemaliges Mitglied des \u00fcber die Unabh\u00e4ngigkeit der Justiz wachenden Obersten Rats der Magistratur (CSM), meinte, die Daten des EGMR w\u00fcrden ein irref\u00fchrendes Bild vermitteln, da es sich zumeist um sieben oder acht Jahre zur\u00fcckliegende F\u00e4lle handelte. Seit damals habe sich dank der Reformen des CSM die Verfahrensdauer verk\u00fcrzt und die Wirksamkeit von Untersuchungen brutalen Vorgehens der Polizei und anderer Verfehlungen erh\u00f6ht. Gerichte seien aber aufgrund falscher Aussagen skrupelloser Beamter nach wie vor nicht vor \u201eUrteilsfehlern\u201c gefeit.

\u201eIch hatte da einen Fall, wo ein Polizist keinen Zeugen finden konnte, also bat er einen der diversen Informanten der Polizei um eine Aussage\u201c, erz\u00e4hlte er. \u201eDer Polizist schrieb selbst die Aussage, rief den Informanten zu sich und bot ihm etwas zu trinken an. Dieser wusste nicht einmal, was er da eigentlich unterschrieb.\u201c Der Richter weiter: \u201eWir [Richter] werden f\u00fcr Fehlurteile nicht zur Rechenschaft gezogen. Das gibt es in keinem anderen Land der Welt.\u201c
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\n\tNachdem sie vom Vorwurf einer Straftat freigesprochen wurde, die sie nicht begangen hatte, gr\u00fcndete Daniela Tarau eine Vereinigung, um Opfern von Justizirrt\u00fcmern zu helfen. Foto: \u00a9 Robert Kallos<\/p>\t<\/figcaption>\n<\/figure>\n\t\t\t<\/div>\n\t\t<\/div>\n\t<\/div>\n\n\n\n\n\t\n\t\t\t

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\n\t\u201eIn der H\u00f6lle gelandet\u201c<\/strong>

Im Sommer 2000 war Daniela Tarau einige Wochen lang als Sekret\u00e4rin f\u00fcr eine Firma in Bukarest t\u00e4tig, die Personal f\u00fcr Jobs nach Israel vermittelte. Die 29-j\u00e4hrige Mutter machte Kaffee und nahm Anrufe entgegen, bis sie das Unternehmen wegen einer Gallengangoperation verlassen musste. Im darauffolgenden Jahr wurde sie von der Polizei als Zeugin in einem Betrugsfall, in den die Firma verwickelt war, vorgeladen. Sie wurde jedoch bald selbst zur Angeklagten. \u201eIch kam in der Fr\u00fch dort an und kehrte erst zwei Jahre sp\u00e4ter zur\u00fcck\u201c, meint die mittlerweile 47-j\u00e4hrige Tarau. Ihr und f\u00fcnf weiteren Mitarbeitern der Personalagentur wurde vorgeworfen, 44 Menschen betrogen zu haben, die daf\u00fcr gezahlt hatten, einen Job im Ausland zu bekommen. Tarau machte geltend, zum Zeitpunkt der fraglichen Zahlungen nicht mehr f\u00fcr die Firma gearbeitet zu haben. Sie wurde 24 Stunden in einer Polizeizelle festgehalten, die nicht viel gr\u00f6\u00dfer als ein Badezimmer war, mit vier an der Wand festgeschraubten Stockbetten.

\u201eIch dachte, ich w\u00e4re in der H\u00f6lle gelandet\u201c, sagt Tarau. \u201eEs war so hei\u00df und total verraucht.\u201c Und dann begann das Martyrium der Untersuchungshaft. Zuerst forderte der Staatsanwalt Cristian Panait, dass Tarau f\u00fcnf Tage, dann einen Monat lang, in Polizeigewahrsam bleiben sollte. Dieser Vorgang wiederholte sich 21 Mal, so als h\u00e4tte jemand auf Autopilot gedr\u00fcckt. Tarau erz\u00e4hlt, dass der 28-j\u00e4hrige Panait damals einen labilen Eindruck auf sie machte. Er habe sie angeschrien und ihr einmal sogar gedroht, sie aus dem Fenster zu werfen. \u201eSo wie ich das sehe \u2026 war der Staatsanwalt eine Art Gott, der bestimmte, wo mein Platz zu sein hatte. Und er bestimmte, dass ich genau da sein sollte \u2026 ungeachtet des Mangels an Beweisen in den Akten.\u201c
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\n\tVom Rechtsbeistand im Stich gelassen<\/h2>\n\t
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\n\tDie unzul\u00e4ngliche Vertretung seitens einiger Verfahrenshelfer in Rum\u00e4nien tr\u00e4gt in gro\u00dfem Umfang zu unrechtm\u00e4\u00dfigen Verurteilungen bei, sagen Aktivisten, die sich f\u00fcr faire Verhandlungen einsetzen. \u201eSie sind \u00e4u\u00dferst schlecht vorbereitet\u201c, meinte Cristi Danilet, ein Richter am Gericht in Cluj im Westen Rum\u00e4niens. \u201eSie bem\u00fchen sich nicht, sie interessieren sich nicht f\u00fcr den Fall, sie lesen die Akte nicht, sie sprechen nicht mit ihren Mandanten oder sie kommen einfach ins Gericht und sagen, \u201aWir \u00fcberlassen es dem Ermessen der Richter\u2018\u201c.
Nicoleta Andreescu, Leiterin der rum\u00e4nischen Vereinigung zur Wahrung der Menschenrechte \u2013 Helsinki-Komitee, zitierte ein aktuelles Beispiel aus einem Gericht in Bukarest.
\u201eMeine Kollegen waren im Gericht, als ein Anwalt die Entlassung eines seiner Mandanten forderte, mit der Begr\u00fcndung, dass dieser ein Kind zu Hause habe. Der Richter fragte den Anwalt: \u201aWissen Sie \u00fcberhaupt, warum Ihr Mandant verhaftet wurde?\u2018 Er wurde beschuldigt, seine Tochter sexuell missbraucht zu haben.\u201c
Den von BIRN angeforderten Daten des Justizministeriums zufolge beliefen sich die Ausgaben f\u00fcr Verfahrenshilfe 2017 auf knapp acht Millionen Euro.
Laut einer Studie der Nordirland-Versammlung aus dem Jahr 2010 \u00fcber die Ausgaben f\u00fcr Verfahrenshilfe<\/a> in verschiedenen europ\u00e4ischen L\u00e4ndern wurden in Rum\u00e4nien durchschnittlich 23 Euro pro Strafsache ausgegeben. Demgegen\u00fcber stehen die Niederlande mit 1.024 Euro und Irland mit 1.003 Euro. Gem\u00e4\u00df einem \u00dcbereinkommen zwischen dem Justizministerium und dem rum\u00e4nischen Dachverband der Anwaltskammern erhalten mit Strafsachen befasste Verfahrenshelfer je nach Art der T\u00e4tigkeit zwischen 30 und 112 Euro (130 bis 520 Leu) f\u00fcr jede Person, die sie vertreten.
Das durchschnittliche Nettogehalt in Rum\u00e4nien betr\u00e4gt rund 510 Euro im Monat.
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\n\tEinige Monate sp\u00e4ter beging Panait Selbstmord. Manche Zeitungen schrieben seinen Tod dem politischen Druck zu, der auf ihn ausge\u00fcbt worden war: Er h\u00e4tte in einem separaten Fall Ermittlungen gegen einen Kollegen anstellen sollen. 2015 brachte der rum\u00e4nische Regisseur Tudor Giurgiu einen Film heraus, der lose auf den letzten Monaten des Lebens Panaits basiert. Wie auch immer Panaits Verhalten einzustufen ist: Tarau glaubt, dass der Staatsanwalt ihre Rechte mit F\u00fc\u00dfen getreten habe. Als sie im November 2002 schlie\u00dflich wegen Betrugs zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten auf Bew\u00e4hrung verurteilt wurde, war sie bereits 21 Monate in einer Polizeizelle in Untersuchungshaft gesessen.

\u201eBesorgniserregend aus unserer Sicht ist, wie unverh\u00e4ltnism\u00e4\u00dfig lange jemand in Untersuchungshaft genommen werden kann\u201c, sagte Nicoleta Andreescu, Leiterin der rum\u00e4nischen Vereinigung zur Wahrung der Menschenrechte \u2013 Helsinki-Komitee, einer Nichtregierungsorganisation aus Bukarest. \u201eDie Untersuchungshaft ist meist Formsache, weil der Staatsanwalt 30 Tage fordert und der Richter dem stattgibt und im Grunde wird das dann automatisch verl\u00e4ngert. Vom Gesetz her darf man nicht l\u00e4nger als 180 Tage in Untersuchungshaft genommen werden, ohne einem Richter vorgef\u00fchrt zu werden.\u201c Die f\u00fcnf weiteren Personen, die man beschuldigte, die Kunden der Personalagentur betrogen zu haben \u2013 darunter eine im Unternehmen t\u00e4tige Putzfrau und ihr Ehemann, ein Chauffeur \u2013 wurden ebenso verurteilt.

Nach ihrer Freilassung wandte sich Tarau mit Dutzenden Beschwerden an das Parlament, das B\u00fcro des Pr\u00e4sidenten und die Gerichte, beteuerte ihre Unschuld und suchte um \u00dcberpr\u00fcfung ihres Falls an. Um herauszufinden, ob \u00fcberhaupt jemand ihre Beschwerden las, kam ihr die Idee, die Seiten in der Mitte zusammenzuheften. \u201eIch bin dann in das Gerichtsarchiv gegangen \u2026 und sie waren noch immer zusammengeheftet\u201c, erz\u00e4hlt sie.

Tarau legte Beschwerde beim EGMR ein, der 2009 urteilte, dass gegen ihr Recht auf ein faires Verfahren versto\u00dfen worden war. Im Entscheid hie\u00df es, man habe ihr einen angemessenen Rechtsbeistand verweigert und verhindert, dass Opfer ins Kreuzverh\u00f6r genommen oder Zeugen aufgerufen wurden. Das Gericht war auch der Ansicht, dass die Dauer der Untersuchungshaft unverh\u00e4ltnism\u00e4\u00dfig lang war. Sechs Jahre sp\u00e4ter wurde ihr Fall vor Gericht in Bukarest neu aufgerollt und sie wurde freigesprochen. Tarau forderte daraufhin 900.000 Euro Schadensersatz und bekam schlie\u00dflich 100.000 Euro zugesprochen.
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\n\t\u201eGerechte Entsch\u00e4digung\u201c<\/strong>

Tarau erhielt au\u00dferdem eine \u201egerechte Entsch\u00e4digung\u201c von 4.000 Euro, eine Form der Wiedergutmachung, die vom EGMR zugesprochen wird, jedoch vom betreffenden Land zu bezahlen ist. Der Betrag ist \u00fcblicherweise viel geringer als die Entsch\u00e4digungssummen inl\u00e4ndischer Gerichte. Dem Europarat zufolge, der als Menschenrechtsorganisation die Zahlung gerechter Entsch\u00e4digungen \u00fcberwacht, musste Rum\u00e4nien in den vergangenen zehn Jahren 53,7 Millionen Euro an solchen Entsch\u00e4digungen leisten.

Im Jahr 2017 zahlte Rum\u00e4nien nach EGMR-Urteilen gerechte Entsch\u00e4digungen in H\u00f6he von 2,6 Millionen Euro. Demgegen\u00fcber stehen D\u00e4nemark und Norwegen, die keine Zahlungen leisten mussten, und Schweden, das letztes Jahr 5.000 Euro zahlte. Am anderen Ende der Skala befinden sich Russland und die T\u00fcrkei mit 15 Millionen bzw. 12 Millionen Euro.

In Rum\u00e4nien werden alle Schadensersatzzahlungen vom Finanzministerium getragen. Richter Danilet erkl\u00e4rte, dass das Ministerium Richter oder Staatsanw\u00e4lte, die f\u00fcr Fehlurteile verantwortlich sind, theoretisch verklagen kann, um Geld zur\u00fcckzufordern, in der Praxis passiere dies jedoch nie. \u201eEin Fehlurteil ist die Entscheidung eines Staatsanwalts oder Richters, die dem Gesetz oder dem Beweismaterial des Akts deutlich zuwiderl\u00e4uft, ob vors\u00e4tzlich \u2026 oder aufgrund erheblichen Unverm\u00f6gens\u201c, meinte er.
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\n\tZu viele F\u00e4lle<\/strong>

In Rum\u00e4nien sind Richterinnen und Richter gesetzlich verpflichtet, bestimmte Zeiten pro Woche spezifischen Aufgaben zu widmen: zwei Tage, um Akten zu lesen, zwei Tage, um Urteile zu schreiben und einen Tag f\u00fcr \u00f6ffentliche Anh\u00f6rungen. In der Praxis sind viele durch die hohe Anzahl von F\u00e4llen \u00fcberlastet und gezwungen, sich nicht lange mit spezifischen Details aufzuhalten, meinen Bef\u00fcrworter von fairen Verfahren.

Den Daten des Obersten Rats der Magistratur zufolge, der das Justizsystem \u00fcberwacht, befassen sich die Richterinnen und Richter des Obersten Gerichts- und Kassationshofs durchschnittlich mit etwa 1.000 F\u00e4llen pro Jahr.<\/p>\t\t\t<\/div>\n\t\t<\/div>\n\t<\/div>\n\n\n\n\n\t\n\t\t\t

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\n\tRum\u00e4nische Richter: Durchschnittliche Anzahl der F\u00e4lle pro Jahr. Amtsgerichte \/ Landgerichte \/ Berufungsgerichte \/ Oberster Gerichts- und Kassationshof. Quelle: Oberster Rat der Magistratur
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\n\tIm Vergleich dazu behandeln ihre Kolleginnen und Kollegen am Obersten Gerichtshof in Schweden dem schwedischen Zentralamt f\u00fcr Gerichtsadministration zufolge j\u00e4hrlich weniger als 500 F\u00e4lle.<\/p>\t\t\t<\/div>\n\t\t<\/div>\n\t<\/div>\n\n\n\n\n\t\n\t\t\t

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\n\tSchwedische Richter: Durchschnittliche Anzahl der F\u00e4lle pro Jahr. Bezirksgericht \/ Berufungsgericht \/ Oberstes Gericht. Quelle: Schwedischer Justizkanzler
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\n\tRichter und Staatsanw\u00e4lte k\u00f6nnen mittels Disziplinarma\u00dfnahmen oder Strafverfahren zur Rechenschaft gezogen werden, so Danilet weiter. Disziplinarstrafen reichen von Verwarnungen und Gehaltsk\u00fcrzungen bis zu Suspendierungen und dem Ausschluss aus dem Richteramt. Strafdelikte werden mit Haft geahndet. Der CSM hat 2017 eigenen Berichten zufolge 22 Disziplinarstrafen f\u00fcr Richter und zehn f\u00fcr Staatsanw\u00e4lte verh\u00e4ngt. Der Rat machte keine genauen Angaben dar\u00fcber, welche Strafen mit Fehlurteilen oder anderen Verfehlungen in Verbindung standen.

Gesetzgeber beriefen sich auf F\u00e4lle wie jene von Manolachi und Tarau, um die 2016 durch das Parlament gepeitschten Justizreformen zu rechtfertigen. Kritiker sehen in den Reformen eine offenkundige politische Reaktion auf eine Reihe von Korruptionsf\u00e4llen, die ein K\u00f6pferollen unter hochrangigen Beamten zur Folge hatten \u2013 darunter PSD-Chef Liviu Dragnea, der im Juni wegen Amtsmissbrauchs zu dreieinhalb Jahren Haft verurteilt wurde. Die Berufung ist noch anh\u00e4ngig.

Internationale Stimmen, wie die Europ\u00e4ische Kommission und das US-Au\u00dfenministerium, haben sich dem Chor der Kritiker angeschlossen. \u201eSie [die Reformen] enthalten eine Reihe von Ma\u00dfnahmen, die die rechtlichen Garantien f\u00fcr die Unabh\u00e4ngigkeit der Justiz schw\u00e4chen und geeignet sind, die tats\u00e4chliche Unabh\u00e4ngigkeit von Richtern und Staatsanw\u00e4lten und damit das Vertrauen der \u00d6ffentlichkeit in die Justiz zu untergraben\u201c, schrieb die Europ\u00e4ische Kommission in einem Bericht<\/a> Mitte November. Als problematisch aufgezeigt wurden unter anderem die Einrichtung einer besonderen staatsanwaltschaftlichen Abteilung f\u00fcr die Untersuchung von durch Richter und Staatsanw\u00e4lte begangene Straftaten sowie die \u201eAusweitung der Gr\u00fcnde f\u00fcr die Abberufung von Mitgliedern des Obersten Richterrats\u201c.

Im September protestierten etwa 300 Richterinnen und Richter schweigend vor dem Bukarester Berufungsgericht. Sie hielten Plakate hoch, auf denen \u201eF\u00fcr eine unabh\u00e4ngige Justiz\u201c zu lesen war. In Ia\u015fi nimmt Petric\u0103 Manolachi jeden Baustellenjob an, den er kriegen kann, w\u00e4hrend er weiter f\u00fcr Schadensersatz k\u00e4mpft. In seiner Freizeit bastelt er an seinem Auto herum und besucht Treffen eines Rover-Automobilklubs. Der EGMR sprach ihm eine gerechte Entsch\u00e4digung von 3.000 Euro zu, er fordert jedoch weiteren Schadensersatz vor rum\u00e4nischen Gerichten.
Im M\u00e4rz entschied das Landgericht in Suceava gegen ihn, da seine Festnahme bzw. Untersuchungshaft nicht gesetzeswidrig gewesen sei, obwohl er sp\u00e4ter freigesprochen wurde. Das Berufungsverfahren am Berufungsgericht von Suceava l\u00e4uft noch.

In Bukarest hat Daniela Tarau eine Vereinigung gegr\u00fcndet, um Opfer von Justizmissbrauch \u00fcber ihre Rechte zu informieren und sie bei Wiedergutmachungsforderungen zu unterst\u00fctzen. Sie heiratete einen Polizisten, machte einen Abschluss in Jura und absolvierte einen Masterstudiengang an der Polizeiakademie. Zudem promovierte sie mit einer Arbeit \u00fcber die Bedingungen in rum\u00e4nischen Gef\u00e4ngnissen und will ein Buch \u00fcber das Thema schreiben. Wenn sie auf ihr Martyrium zur\u00fcckblickt, kommt sie zu dem Schluss, dass ihr Fall einfach unbedeutend genug gewesen war, um durch die Risse eines kaputten Systems zu schl\u00fcpfen \u2014 mit verheerenden Folgen f\u00fcr sie selbst. \u201eEs war kein wichtiger Fall\u201c, meinte sie. \u201eEs war einer jener Gerichtsakte, die einfach automatisch abgewickelt werden \u2026 \u201aWer ist das? Ein Niemand\u2018\u201c.
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    \n\tSchweden leistet Wiedergutmachung f\u00fcr Justizirrtum<\/strong>

    F\u00fcnftausend Kilometer von Rum\u00e4nien entfernt auf El Hierro, der kleinsten der zu Spanien geh\u00f6renden Kanarischen Inseln, erinnert sich Kaj Linna, wie er, zu Unrecht des Mordes beschuldigt, 13 Jahre lang in einem schwedischen Gef\u00e4ngnis sa\u00df. \u201eIch war viele Monate, Jahre lang isoliert\u201c, erz\u00e4hlt der 56-j\u00e4hrige Schwede. \u201eIhr k\u00f6nnt mich w\u00fctend machen, ihr k\u00f6nnt mich traurig machen, ihr k\u00f6nnt mich zum Weinen bringen, aber ihr k\u00f6nnt mich nicht brechen.\u201c
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    \n\tKaj Linna steht vor der Mauer eines Hauses auf der spanischen Kanareninsel El Hierro, das er wieder aufbauen will. Hier soll mit der h\u00f6chsten je in Schweden f\u00fcr einen Justizirrtum ausbezahlten Entsch\u00e4digungssumme ein Hotel entstehen. Foto: \u00a9 Lorelei Mihala<\/p>\t<\/figcaption>\n<\/figure>\n\t\t\t<\/div>\n\t\t<\/div>\n\t<\/div>\n\n\n\n\n\t\n\t\t\t

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    \n\tLinna steht neben einer halbfertig gebauten Steinmauer auf einem H\u00fcgel mit Blick auf das Meer und erkl\u00e4rt, wie er mit der h\u00f6chsten je in Schweden f\u00fcr ein Fehlurteil ausbezahlten Entsch\u00e4digungssumme \u2013 1,8 Millionen Euro (18 Millionen schwedische Kronen) \u2013 ein Hotel baut. Schwedens Justizkanzler erkl\u00e4rte BIRN, es habe sich dabei um eine \u201eg\u00fctliche Einigung\u201c gehandelt, um Linna f\u00fcr seine Zeit hinter Gittern zu entsch\u00e4digen, nachdem er 2017 entlastet worden war.

    Sein Urteil wurde aufgehoben und Linna aus der lebenslangen Haft entlassen, nachdem Anton Berg, Produzent eines \u00f6ffentlichen Radiosenders in Stockholm, begonnen hatte, selbst in diesem Fall zu ermitteln. \u201eIch fand heraus, dass es keine wirklich handfesten Beweise gab, keine DNA-Spuren oder Fu\u00dfabdr\u00fccke\u201c, erz\u00e4hlte Berg via Skype. \u201eTats\u00e4chlich hat niemand Herrn Linna am Tatort gesehen.\u201c Berg hat die Aussage eines Zeugen auf Band, der zugab, Linna zu Unrecht eines Raubmords im entlegenen Dorf Kalamark im Norden Schwedens beschuldigt zu haben. Das reichte aus, um eine Wiederaufnahme des Verfahrens vor dem Obersten Gerichtshof zu bewirken. \u201eIch wusste die ganze Zeit, dass ich freikommen w\u00fcrde, aber nicht, dass es 13 Jahre dauern w\u00fcrde\u201c, sagt Linna. W\u00e4hrend er im Gef\u00e4ngnis sa\u00df, wandte sich Linna an den Europ\u00e4ischen Gerichtshof f\u00fcr Menschenrechte, das Gericht entschied jedoch, dass seine Beschwerde unzul\u00e4ssig sei.

    Vergangenes Jahr heiratete Linna seine Spanischlehrerin Petra Wullrich. Die beiden hatten sich w\u00e4hrend seiner Haft kennengelernt und verliebt. Als es mit ihrer Beziehung ernst wurde, k\u00fcndigte sie und besuchte ihn weiterhin als seine Verlobte. Nach seiner Entlassung zogen die beiden nach El Hierro, um ein neues Leben zu beginnen. Linna hofft, dass auch in Schweden eines Tages ein gesetzliches Organ wie die britische Criminal Cases Review Commission (Kommission zur \u00dcberpr\u00fcfung von Strafsachen) eingerichtet wird, die sich mit der Untersuchung mutma\u00dflicher Justizirrt\u00fcmer befasst. Auch in Rum\u00e4nien gibt es kein solches Gremium.
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    \n\tOriginal auf Englisch. Erstmals publiziert am 18. Dezember 2018 auf Balkaninsight.com<\/a>.
    Aus dem Englischen von
    Barbara Maya<\/a>.

    Dieser Text ist urheberrechtlich gesch\u00fctzt: \u00a9 Lorelei Mihala, bearbeitet von Timothy Large. Bei Interesse an Wiederver\u00f6ffentlichung bitten wir um Kontaktaufnahme mit der
    Redaktion<\/a>.
    Urheberrechtliche Angaben zu Bildern, Grafiken und Videos sind direkt bei den Abbildungen vermerkt. Titelbild: Daniela Tarau wartete 21 Monate in einer Polizeizelle auf ihren Prozess \u2013 f\u00fcr ein Verbrechen, das sie nicht begangen hatte. Foto: \u00a9 Robert Kallos<\/em>
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    \n\tDieser Artikel entstand im Rahmen des Balkan Fellowship for Journalistic Excellence<\/a>, unterst\u00fctzt von der ERSTE Stiftung und den Open Society Foundations<\/a> in Kooperation mit dem Balkan Investigative Reporting Network<\/a>.<\/em><\/p>\t\t\t<\/div>\n\t\t<\/div>\n\t<\/div>\n","protected":false},"excerpt":{"rendered":"

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