{"id":3438,"date":"2018-01-26T00:00:00","date_gmt":"2018-01-26T00:00:00","guid":{"rendered":"https:\/\/erste-foundation.byinfinum.co\/see-der-gesetzlosen\/"},"modified":"2021-08-23T15:41:22","modified_gmt":"2021-08-23T15:41:22","slug":"see-der-gesetzlosen","status":"publish","type":"post","link":"https:\/\/tippingpoint.net\/de\/see-der-gesetzlosen\/","title":{"rendered":"See der Gesetzlosen"},"content":{"rendered":"
\n\tAuf dem gr\u00f6\u00dften See des Balkans sei es laut Rangern einfacher, einen Drogenh\u00e4ndler zu erwischen, als einem Schwarzfischer das Handwerk zu legen. Warnungen vor einer \u00f6kologischen Katastrophe werden laut.<\/strong> \n\tMit der D\u00e4mmerung erscheinen die Schwarzfischer am Skutariasee . Foto: \u00a9 Darko Vu\u010dkovi\u0107<\/p>\t<\/figcaption>\n<\/figure>\n\t\t\t<\/div>\n\t\t<\/div>\n\t<\/div>\n\n\n \n\tOrtsans\u00e4ssige Fischer sind seit jeher der Ansicht, ein Geburtsrecht auf die Befischung des Sees zu haben, doch laut Umweltsch\u00fctzerInnen sei die gr\u00f6\u00dfte Bedrohung der Fischbest\u00e4nde die zunehmend organisierte Form der Schwarzfischerei und die Korruption, die diese Fischwilderei florieren l\u00e4sst.
Manche auf dem Skutarisee machen es sich leicht, halten Elektroden ins Wasser, um Karpfen und Aale mit 110 Volt aus einem Transformator, der an eine Autobatterie angeschlossen ist, zu fangen. Sobald die bet\u00e4ubten Fische an die Oberfl\u00e4che treiben, hieven sie sie ins Boot. Andere legen Netze aus und befestigen sie im schlammigen Grund. Die Seeufer entlang der s\u00fcdlichen Grenze Montenegros zu Albanien sind mit verr\u00e4terischen Reihen von Pf\u00e4hlen \u00fcbers\u00e4t.
Doch f\u00fcr einen montenegrinischen Schwarzfischer am gr\u00f6\u00dften See des Balkans sind die althergebrachten Methoden immer noch die besten: Was fr\u00fcher mit Laternen gemacht wurde, funktioniert heute mit Handlampen. Er sitzt im Schutz der Dunkelheit in einem Boot mit flachem Boden und leuchtet mit einer Lampe die Untiefen aus, wo sich Karpfen im Schilf tummeln. Wenn er einen ersp\u00e4ht, wirft er eine dreizackige Harpune aus. Er verfehlt nur selten sein Ziel und bringt es mit seiner Methode in einer Nacht auf mehr als 100 Fische. \u201eWenn ich nicht ein, zwei Fische t\u00f6ten k\u00f6nnte, m\u00fcsste ich jemanden umlegen\u201c, verriet uns der st\u00e4mmige Mann mit einem L\u00e4cheln. Der 45-j\u00e4hrige Vater von drei Kindern, der namentlich nicht genannt werden wollte, erz\u00e4hlte, dass seine Familie in der am See gelegenen Zeta-Region s\u00fcdlich von Podgorica seit Generationen mit Speeren fischt.
Speerfischen ist auf dem Skutarisee streng verboten. Ebenso wie das Fischen mit Strom, Harpunen oder Dynamit. Und w\u00e4hrend der Laichsaison von Mitte M\u00e4rz bis Mitte Mai gilt ein gesetzliches Verbot f\u00fcr alle Fangmethoden, einschlie\u00dflich Angelruten und Netze. Das Fangverbot h\u00e4lt Schwarzfischer indes nicht von ihrem Tun ab. Einheimische, die im Nationalpark auf der montenegrinischen Seite des Sees leben, scherzen dar\u00fcber, dass die Gegend nachts zu einem kleinen Las Vegas der funkelnden Taschenlampen wird. Fischwilderer riskieren Geldstrafen von bis zu 20.000 Euro und drei Jahre Gef\u00e4ngnis, doch nur wenige werden tats\u00e4chlich strafrechtlich verfolgt. Der Schwarzfischer aus Zeta erz\u00e4hlte, dass ihn die Ranger mehrmals erwischt h\u00e4tten, aber immer gehen lie\u00dfen. \u201eDas sind meistens Leute aus der Gegend\u201c, meinte er. \u201eManchmal leistet mir der eine oder andere Gesellschaft.\u201c
Natursch\u00fctzerInnen warnen vor einer \u00f6kologischen Katastrophe f\u00fcr einen der letzten intakten Binnenseen Europas, da Wilderer jedes Jahr Fisch im Wert von mehreren Millionen Euro mit Strom, Harpunen, Haken oder Netzen fangen, und das praktisch v\u00f6llig ungestraft. Ein Gro\u00dfteil des Fangs wird auf den M\u00e4rkten im nahen Podgorica und der auf der albanischen Seite des Sees gelegenen Stadt Shkodra verkauft, wo der Skutari-Karpfen als Delikatesse gilt. \u201eDie meisten dieser Leute stellen sich den Skutarisee als einen riesigen Geldautomaten vor, aus dem sie, anstatt Geld mit einem PIN-Code abzuheben, so viel Fisch stehlen k\u00f6nnen, wie sie nur wollen\u201c, sagte Danilo Mrdak, Ichthyologe und Professor f\u00fcr Biologie an der Universit\u00e4t von Montenegro in Podgorica.<\/p>\t\t\t<\/div>\n\t\t<\/div>\n\t<\/div>\n\n\n\n\t\n\t<\/div>\t
In einer Region, die w\u00e4hrend des gewaltsamen Zerfalls Jugoslawiens in den 1990er-Jahren als eine wichtige Schmuggelroute bekannt war, w\u00fcrden es technisch versierte Kriminelle f\u00fcr lohnender halten, Fisch zu fangen, als mit Waffen oder Drogen zu handeln. Es sei auch einfacher, damit durchzukommen.
\u201eAuf dem Skutarisee ist es schwieriger, einem Schwarzfischer das Handwerk zu legen, als einen Drogenh\u00e4ndler zu erwischen\u201c, meinte Drazen Ivanovi\u0107, der als leitender Ranger f\u00fcr die \u00dcberwachung des zum Nationalpark erkl\u00e4rten montenegrinischen Teils des Sees zust\u00e4ndig ist. \u201eMit der modernen Technik sind die Wilderer bestens vernetzt und Informationen werden blitzschnell um den See herum verbreitet. Wir haben es mittlerweile mit einer Form von organisiertem Verbrechen zu tun. Leider sind wir nicht in der Lage, die Situation auch nur ann\u00e4hernd in den Griff zu bekommen, weil es uns an Ressourcen, Ausr\u00fcstung und Personal mangelt.\u201c
Das Video\u00a0“Poachers of Skadar Lake” ist derzeit nur mit englischen Untertiteln auf YouTube abrufbar.<\/p>\t\t\t<\/div>\n\t\t<\/div>\n\t<\/div>\n\n\n