{"id":3346,"date":"2017-04-05T00:00:00","date_gmt":"2017-04-05T00:00:00","guid":{"rendered":"https:\/\/erste-foundation.byinfinum.co\/meine-steuern-gehen-an-eine-ngo\/"},"modified":"2021-07-01T07:10:49","modified_gmt":"2021-07-01T07:10:49","slug":"meine-steuern-gehen-an-eine-ngo","status":"publish","type":"post","link":"https:\/\/tippingpoint.net\/de\/meine-steuern-gehen-an-eine-ngo\/","title":{"rendered":"Meine Steuern gehen an eine NGO!"},"content":{"rendered":"
\n\tDer Transformationsprozess in Zentral- und Osteuropa ist seit mehr als einem Vierteljahrhundert im Gange. Die Entwicklung der Zivilgesellschaft macht einen wesentlichen Teil davon aus und spielt bei der Bew\u00e4ltigung wichtiger gesellschaftlicher Herausforderungen eine zentrale Rolle. Mehr Zivilgesellschaft bedeutet nicht nur mehr Chancen f\u00fcr ein breiteres Spektrum von benachteiligten Gruppen, ihrer Stimme Geh\u00f6r zu verschaffen, sondern kann auch zur Schaffung stabiler und gerechter Gesellschaften und Staaten beitragen.<\/strong> \n\tMehr als ein Drittel aller SteuerzahlerInnen (38,6 %) lassen in den L\u00e4ndern des \u201ePercentage Club\u201c einen Teil ihrer Steuern zivilgesellschaftlichen Organisationen zukommen.<\/p>\t\t\t<\/div>\n\t\t<\/div>\n\t<\/div>\n\n\n \n\tAm Ende eines Steuerjahres, wenn der oder die einzelne Steuerpflichtige Steuern an den Staat abf\u00fchrt, kann er oder sie einen bestimmten Prozentsatz der Einkommensteuer freiwillig einer bestimmten Einrichtung zugutekommen lassen. Zun\u00e4chst muss sich die Steuerzahlerin\/der Steuerzahler \u00fcber die Bed\u00fcrfnisse der Gesellschaft bzw. das, was er oder sie als solche ansieht, Gedanken machen. Die Entscheidung der Steuerzahlerin\/des Steuerzahlers wird von staatlichen Institutionen akzeptiert und nicht infrage gestellt, was diesen Mechanismus zu einem dezentralen, flexiblen und unb\u00fcrokratischen Modell f\u00fcr das Spenden einer bestimmten Geldsumme macht, die ohnehin gezahlt worden w\u00e4re. Im Gegensatz zu den anderen L\u00e4ndern des \u201ePercentage Club\u201c ist es in der Slowakischen Republik per Gesetz sogar juristischen Personen, also Unternehmen, erlaubt, einen festgelegten Steueranteil zweckzuwidmen. Die H\u00f6he der erlaubten Zuweisung wird von verschiedenen Gesetzen bestimmt: Sie variiert zwischen 3 % in der Slowakischen Republik und 1 % in Polen. \n\tDie Normalisierung der Beziehungen zwischen Staat und Kirche und die Frage nach ihrer Finanzierung war einer der Ausl\u00f6ser, die zur Entwicklung eines Modells der Steuerwidmung gef\u00fchrt haben.<\/p>\t\t\t<\/div>\n\t\t<\/div>\n\t<\/div>\n\n\n \n\tEin weiterer Beweggrund war es, gemeinn\u00fctzigen Organisationen zus\u00e4tzliche Finanzmittel zukommen zu lassen. Ziel dieses Unterfangens war es aber nicht nur, Non-Profit-Organisationen \u00fcber die zweckgebundene Widmung von Steueranteilen flexible Finanzierungsm\u00f6glichkeiten zur Verf\u00fcgung zu stellen, sondern auch ehrenamtliches Engagement und philanthropische Kultur und Tradition zu f\u00f6rdern. \n\tDas Zentrum f\u00fcr Philanthropie<\/a> (Centrum pre filantropiu) wurde im August 2002 in Bratislava als gemeinn\u00fctzig t\u00e4tige Organisation gegr\u00fcndet. Vorrangige Ziele sind die St\u00e4rkung von Nichtregierungs- und gemeinn\u00fctzigen Organisationen und ihrer Stellung in der Gesellschaft, die Verbreitung von Werten und Modellen des Spendens, der Wohlt\u00e4tigkeit und Freiwilligent\u00e4tigkeit, die ein Ausdruck gegenseitiger Solidarit\u00e4t und des Verst\u00e4ndnisses zwischen Menschen sowie zwischen \u00f6ffentlichem und privatem Sektor sind, sowie die F\u00f6rderung von Ideen partizipativer Demokratie. Au\u00dferdem will das Zentrum einen Beitrag dazu leisten, die Beteiligung von B\u00fcrgerInnen an Entscheidungsprozessen hinsichtlich Fragen des \u00f6ffentlichen Interesses zu erh\u00f6hen. Durch seine T\u00e4tigkeiten und Programme will das Zentrum f\u00fcr Philanthropie die Ideale der Zivilgesellschaft, der Menschen- und B\u00fcrgerrechte sowie einer nachhaltigen Entwicklung erf\u00fcllen und die Prinzipien des Pluralismus, der Freiheit und der Demokratie umsetzen.<\/p>\n\t<\/div>\n<\/div>\n\t<\/div>\n\n<\/div>\n\n\n\n \n\t \n\t \n\tStudie Abbildung 10: Entwicklung der zweckgebundenen Widmung von 1 % der Steuer und von individuellen Spenden in Ungarn, 1996\u20132013<\/p>\t<\/figcaption>\n<\/figure>\n\t\t\t<\/div>\n\t\t<\/div>\n\t<\/div>\n\n\n \n\tDie Teilnahme am System der steuerlichen Zweckwidmung ist eine Form zivilgesellschaftlichen Engagements durch die SteuerzahlerInnen, die einen relativ geringen Aufwand erfordert. In Rum\u00e4nien machen 41 % der SteuerzahlerInnen von diesem Modell Gebrauch, weil es gratis ist, 33 % wollen nicht, dass das Geld dem Staat zukommt, und 27 % f\u00fchlen sich der Arbeit der ausgew\u00e4hlten NGO verbunden. Aus dem Blickwinkel der Freiwilligent\u00e4tigkeit betrachtet zeichnet sich ein stabiler (Polen), leicht steigender (Slowakische Republik, Ungarn), nicht eindeutiger (Litauen) bzw. sinkender (Rum\u00e4nien) Trend ab. \n\tStudie Abbildung 12: Anteil von EinzelsteuerzahlerInnen, die vom Modell der zweckgebundenen Widmung von Steueranteilen Gebrauch machen<\/p>\t<\/figcaption>\n<\/figure>\n\t\t\t<\/div>\n\t\t<\/div>\n\t<\/div>\n\n\n \n\tAuch wenn nicht der gesamte Sektor finanziell von diesem System profitiert hat, scheint es der Stimme der Zivilgesellschaft insgesamt doch zus\u00e4tzliches Gewicht verliehen zu haben. Dank der steuerlichen Zweckwidmung haben Organisationen begonnen, der Kommunikation mit ihren eigenen Mitgliedern und KlientInnen mehr Aufmerksamkeit zu widmen sowie eine breitere \u00d6ffentlichkeit anzusprechen, wodurch sich die Sichtbarkeit der NGOs insgesamt erh\u00f6ht hat. Zu den wichtigsten Elementen des Systems z\u00e4hlen seine Flexibilit\u00e4t und Kalkulierbarkeit, die zur Stabilit\u00e4t des dritten Sektors beitragen und \u00f6ffentliche Mittel zu jenen Empf\u00e4ngern lenken, die andernfalls nur beschr\u00e4nkten Zugang zu alternativen Finanzmitteln h\u00e4tten: Litauen hat mit 80 % den h\u00f6chsten Anteil an Organisationen, welche von diesem System profitieren, gefolgt von Ungarn mit 35 %, Rum\u00e4nien mit 30 % und der Slowakischen Republik mit 24 %, w\u00e4hrend es in Polen nur 7 % sind.<\/p>\t\t\t<\/div>\n\t\t<\/div>\n\t<\/div>\n\n\n \n\tZu den wichtigsten Elementen des Systems z\u00e4hlen seine Flexibilit\u00e4t und Kalkulierbarkeit, die zur Stabilit\u00e4t des dritten Sektors beitragen und \u00f6ffentliche Mittel zu jenen Empf\u00e4ngern lenken, die andernfalls nur beschr\u00e4nkten Zugang zu alternativen Finanzmitteln h\u00e4tten.<\/p>\t\t\t<\/div>\n\t\t<\/div>\n\t<\/div>\n\n\n \n\tDas bedeutet, dass in diesen f\u00fcnf L\u00e4ndern durchschnittlich jede dritte Organisation von diesem System profitiert. Insgesamt sch\u00e4tzt man, dass das Modell der Zweckwidmung in den f\u00fcnf zentral- und osteurop\u00e4ischen L\u00e4ndern eine j\u00e4hrliche Einnahmequelle von EUR 242 Mio. darstellt. Auch wenn nicht jede NGO von diesem System profitiert, hat sich die Gesamtzahl der NGOs erh\u00f6ht (Abbildung 11 \u2013 Studie S. 42). In Ungarn haben 8 % des gemeinn\u00fctzigen Sektors den Gro\u00dfteil ihrer Eink\u00fcnfte aus der Zweckwidmung von Steueranteilen bezogen und f\u00fcr 2,4 % waren die Eink\u00fcnfte aus diesem System die einzige Einnahmequelle im Jahr 2010 (Abbildung 5 \u2013 Studie S. 30).<\/p>\t\t\t<\/div>\n\t\t<\/div>\n\t<\/div>\n\n\n \n\tStudie Abbildung 11: Anzahl an Non-Profit-Organisationen pro 1.000 Einwohner<\/p>\t<\/figcaption>\n<\/figure>\n\t\t\t<\/div>\n\t\t<\/div>\n\t<\/div>\n\n\n \n\tStudie Abbildung 5: Anzahl an Non-Profit-Organisationen in Ungarn, welche die zweckgebundene Widmung von 1 % der Steuer als Haupteinnahmequelle bzw. als einzige Einnahmequelle deklarieren<\/p>\t<\/figcaption>\n<\/figure>\n\t\t\t<\/div>\n\t\t<\/div>\n\t<\/div>\n\n\n \n\tNach T\u00e4tigkeitsbereichen aufgegliedert sind in den f\u00fcnf L\u00e4ndern (basierend auf Berichten lokaler WissenschaftlerInnen) Organisationen, die sich mit Themen der Gesundheit und Gesundheitsversorgung besch\u00e4ftigen, am beliebtesten, gefolgt von Bildung und Wissenschaft, Religion, Umwelt, Sport und Tourismus, Kultur und Kunst. Offenbar erreichen zweckgebundene Widmungen von Steueranteilen keine prodemokratischen Interessenvertretungen und B\u00fcrgerrechtsorganisationen, deren Mission f\u00fcr die allgemeine \u00d6ffentlichkeit als nicht ansprechend genug angesehen wird. In den letzten Jahren hat sich in Ungarn allerdings ein neuer Trend abgezeichnet: Gemeinn\u00fctzige Organisationen, die B\u00fcrgerinteressen vertreten und eine neutrale Beobachterposition einnehmen, haben kontinuierlich von der zweckgebundenen Widmung von Steueranteilen profitiert.<\/p>\t\t\t<\/div>\n\t\t<\/div>\n\t<\/div>\n\n\n \n\tGemeinn\u00fctzige Organisationen, die B\u00fcrgerinteressen vertreten und eine neutrale Beobachterposition einnehmen, haben kontinuierlich von der zweckgebundenen Widmung von Steueranteilen profitiert.<\/p>\t\t\t<\/div>\n\t\t<\/div>\n\t<\/div>\n\n\n \n\tDie ungarische Regierung strich diese Organisationen f\u00fcr die Dauer eines Jahres vor\u00fcbergehend von der Liste widmungsberechtigter Organisationen \u2013 eine Sanktion, die 2007 wieder aufgehoben wurde, jedoch die Schwachstelle des Modells und die M\u00f6glichkeit der politischen Einflussnahme deutlich aufzeigt. Heute entfaltet das Modell in Ungarn sein volles Potenzial als demokratisches und transparentes Umverteilungssystem mit einer kontinuierlich wachsenden Anzahl von beg\u00fcnstigten Organisationen aller Art (Abbildung 15 \u2013 Studie S. 53).<\/p>\t\t\t<\/div>\n\t\t<\/div>\n\t<\/div>\n\n\n \n\tStudie Abbildung 15: Anzahl an Beg\u00fcnstigten der zweckgebundenen Widmung von Steueranteilen<\/p>\t<\/figcaption>\n<\/figure>\n\t\t\t<\/div>\n\t\t<\/div>\n\t<\/div>\n\n\n \n\tGleichzeitig l\u00e4sst sich ein R\u00fcckgang indirekter Unterst\u00fctzung durch private SpenderInnen erkennen. Grund daf\u00fcr ist die Abschaffung steuerlicher Anreize, was als eher negativer Nebeneffekt der zweckgebundenen Widmung von Steueranteilen zu sehen ist. Die Slowakische Republik hat Steuerverg\u00fcnstigungen f\u00fcr Einzel- und Unternehmensspenden v\u00f6llig abgeschafft. Rum\u00e4nien ist das einzige Land, in dem die steuerlichen Anreize f\u00fcr EinzelspenderInnen seit Inkrafttreten des Zweckwidmungssystems unver\u00e4ndert geblieben sind. Und doch verwenden PolitikerInnen die Existenz des Systems der Zweckwidmung h\u00e4ufig als Vorwand, um keine zus\u00e4tzlichen F\u00f6rderungen bereitstellen zu m\u00fcssen.<\/p>\t\t\t<\/div>\n\t\t<\/div>\n\t<\/div>\n\n\n \n\tPolitikerInnen nehmen das System der Zweckwidmung h\u00e4ufig zum Vorwand, um keine zus\u00e4tzlichen F\u00f6rderungen mehr bereitstellen zu m\u00fcssen.<\/p>\t\t\t<\/div>\n\t\t<\/div>\n\t<\/div>\n\n\n \n\tEs hat sich best\u00e4tigt, dass es in vier der f\u00fcnf untersuchten L\u00e4nder keine systematische Evaluierung gibt. Dennoch stagniert das System nicht \u2013 trotz aller negativen Entwicklungen. \u00c4nderungen und Anpassungen finden h\u00e4ufig statt und die Anzahl der Beg\u00fcnstigten und SpenderInnen w\u00e4chst auch seit der Einf\u00fchrung in den jeweiligen L\u00e4ndern stetig. Aufgrund der Ergebnisse dieser Studie sind die AutorInnen zuversichtlich, dass die Entwicklung des Systems nicht nur weitergehen, sondern sich auch verbessern wird und einen wichtigen Impuls f\u00fcr eine stabile Finanzierung gemeinn\u00fctziger Organisationen sowie f\u00fcr die Anerkennung und Bedeutung der Zivilgesellschaft in der Bev\u00f6lkerung Zentralund Osteuropas darstellt. \n\t<\/p>\t\t\t<\/div>\n\t\t<\/div>\n\t<\/div>\n\n\n \n\t Wie die zweckgebundene Widmung von Steueranteilen funktioniert.<\/p>\n","protected":false},"author":1,"featured_media":656,"comment_status":"closed","ping_status":"closed","sticky":false,"template":"","format":"standard","meta":{"footnotes":""},"categories":[433,299,436,268],"tags":[300,301,302,303,510,304,305,263,306,307,308,309,259,277,310,311,312],"formats":[],"acf":[],"_links":{"self":[{"href":"https:\/\/tippingpoint.net\/de\/wp-json\/wp\/v2\/posts\/3346"}],"collection":[{"href":"https:\/\/tippingpoint.net\/de\/wp-json\/wp\/v2\/posts"}],"about":[{"href":"https:\/\/tippingpoint.net\/de\/wp-json\/wp\/v2\/types\/post"}],"author":[{"embeddable":true,"href":"https:\/\/tippingpoint.net\/de\/wp-json\/wp\/v2\/users\/1"}],"replies":[{"embeddable":true,"href":"https:\/\/tippingpoint.net\/de\/wp-json\/wp\/v2\/comments?post=3346"}],"version-history":[{"count":2,"href":"https:\/\/tippingpoint.net\/de\/wp-json\/wp\/v2\/posts\/3346\/revisions"}],"predecessor-version":[{"id":4600,"href":"https:\/\/tippingpoint.net\/de\/wp-json\/wp\/v2\/posts\/3346\/revisions\/4600"}],"wp:featuredmedia":[{"embeddable":true,"href":"https:\/\/tippingpoint.net\/de\/wp-json\/wp\/v2\/media\/656"}],"wp:attachment":[{"href":"https:\/\/tippingpoint.net\/de\/wp-json\/wp\/v2\/media?parent=3346"}],"wp:term":[{"taxonomy":"category","embeddable":true,"href":"https:\/\/tippingpoint.net\/de\/wp-json\/wp\/v2\/categories?post=3346"},{"taxonomy":"post_tag","embeddable":true,"href":"https:\/\/tippingpoint.net\/de\/wp-json\/wp\/v2\/tags?post=3346"},{"taxonomy":"format","embeddable":true,"href":"https:\/\/tippingpoint.net\/de\/wp-json\/wp\/v2\/formats?post=3346"}],"curies":[{"name":"wp","href":"https:\/\/api.w.org\/{rel}","templated":true}]}}
Besonders im postkommunistischen Europa nach 1989 verlief die Entwicklung des dritten Sektors nicht so schnell wie urspr\u00fcnglich von ExpertInnen und Eliten erwartet. Ein tiefes Misstrauen gegen\u00fcber Institutionen und Organisationen, verbunden mit einer Entt\u00e4uschung \u00fcber schleppende Transformationsprozesse, zeigte sich in der geringen Beteiligung an und Freiwilligent\u00e4tigkeit in zivilgesellschaftlichen Organisationen.
Es ist deshalb umso erstaunlicher und ermutigender, dass heute mehr als ein Drittel aller SteuerzahlerInnen (38,6 %) in den L\u00e4ndern des \u201ePercentage Club\u201c einen Teil ihrer Steuern zivilgesellschaftlichen Organisationen zukommen lassen. Das ist nur eines der Ergebnisse einer k\u00fcrzlich durchgef\u00fchrten Studie, die die zweckgebundene Widmung von Steueranteilen in Ungarn, Litauen, Polen, Rum\u00e4nien und der Slowakischen Republik verglichen hat: Die Studie mit dem Titel “Assessment of the Impact of the Percentage Tax Designations: Past, Present, Future<\/a>” (Bewertung der Auswirkung von zweckgebundenen Widmungen von Steueranteilen: damals, heute, morgen) ist das Ergebnis eines von der ERSTE Stiftung in Auftrag gegebenen und vom Zentrum f\u00fcr Philanthropie, einer gemeinn\u00fctzigen Organisation in Bratislava, durchgef\u00fchrten Forschungsprojektes. Die Untersuchung fand 2015 statt, wurde 2016 ver\u00f6ffentlicht und konzentrierte sich in erster Linie auf f\u00fcnf L\u00e4nder, in denen dieses Modell einer zweckgebundenen Widmung zur Anwendung kommt und seit mehr als 20 Jahren nach wie vor ein beliebtes wirtschaftspolitisches Instrument ist.Wie funktioniert die Widmung von Steueranteilen?<\/h1>
Der Zivilgesellschaft und NGOs stehen verschiedene M\u00f6glichkeiten der Finanzierung zur Verf\u00fcgung. Es gibt staatliche F\u00f6rderungen und\/oder private F\u00f6rderungen von SpenderInnen aus dem In- und Ausland. Das Modell der zweckgebundenen Widmung von Steueranteilen ist ein Mechanismus, bei dem staatliche Mittel \u2013 oder anders gesagt ein bestimmter Prozentsatz der Einkommensteuer einer einzelnen Steuerzahlerin\/eines einzelnen Steuerzahlers \u2013 f\u00fcr gemeinn\u00fctzige Zwecke umverteilt werden. Die Basis daf\u00fcr ist immer die pers\u00f6nliche Einkommensteuer.<\/p>\t\t\t<\/div>\n\t\t<\/div>\n\t<\/div>\n\n\n
Beg\u00fcnstigte Einrichtungen sind in der Regel zivilgesellschaftliche, gemeinn\u00fctzige Organisationen und in manchen L\u00e4ndern auch Kirchen sowie politische Parteien. In Rum\u00e4nien f\u00fchrte man das Modell als zus\u00e4tzliche Einnahmequelle f\u00fcr Leistungs- oder F\u00f6rderstipendien und einkommensschwache Studierende ein. In Litauen k\u00f6nnen SteuerzahlerInnen sogar bis zu 2 % ihrer Einkommensteuer K\u00fcnstlerInnen zugutekommen lassen.Wie hat alles begonnen?<\/h1>
Nach Einf\u00fchrung der \u201eotto per mille\u201c (0,8 % der Einkommensteuer) in Italien im Jahr 1985 wurde die Idee einer zweckgebundenen Widmung von Steueranteilen auch unter verschiedenen InteressenvertreterInnen diskutiert. Die in den fr\u00fchen 1990er-Jahren neu entstandenen Staaten in Zentral- und Osteuropa zogen bald die Einf\u00fchrung eines \u00e4hnlichen Konzeptes zur Finanzierung von Kirche und Zivilgesellschaft in Erw\u00e4gung.
Das Modell wurde erstmalig 1996 in Ungarn eingef\u00fchrt. Sp\u00e4ter wurden abge\u00e4nderte Versionen in der Slowakischen Republik (1999), in Litauen (2002) und 2003 in Rum\u00e4nien sowie in Polen eingef\u00fchrt. Die Finanzierung der Kirche und Normalisierung der Beziehung zwischen Staat und Kirche war in den zentral- und osteurop\u00e4ischen L\u00e4ndern zu einem wichtigen Thema geworden \u2013 gerade in der Zeit nach der Wende und dem Ende des Staatssozialismus. Es verwundert nicht, dass die Frage hinsichtlich der Finanzierung der Kirche einer der Ausl\u00f6ser war, die zur Entwicklung eines Modells der Steuerwidmung in der Region gef\u00fchrt haben.<\/p>\t\t\t<\/div>\n\t\t<\/div>\n\t<\/div>\n\n\n
Das Konzept wurde zumindest in gewissem Umfang auch von acht weiteren postkommunistischen L\u00e4ndern (Kroatien, Tschechische Republik, Estland, Mazedonien, Republik Moldau, Serbien, Ukraine und Georgien) in Erw\u00e4gung gezogen und steht in einigen dieser Staaten nach wie vor zur Diskussion. 2015 wurde in der Republik Moldau ein Gesetz zur Einf\u00fchrung des Modells nach rum\u00e4nischem Vorbild verabschiedet. Japan, Spanien und Portugal haben bereits \u00e4hnliche Systeme der steuerlichen Zweckwidmung eingef\u00fchrt.<\/p>\t\t\t<\/div>\n\t\t<\/div>\n\t<\/div>\n\n\n\n\tCentrum pre filantropiu<\/h2>\n\t
Schwerpunkt und Motivation der Studie<\/h1>
Die Studie konzentriert sich auf einen bestimmten Typ dieses Modells, in dem Einzelpersonen in erster Linie gemeinn\u00fctzige Organisationen unterst\u00fctzen (im Gegensatz zu anderen Systemen, in denen politische Parteien, die Kirche oder Einzelpersonen davon profitieren). Der geografische Schwerpunkt liegt auf den oben erw\u00e4hnten f\u00fcnf zentral- und osteurop\u00e4ischen Staaten des \u201ePercentage Clubs\u201c, wo das Modell zur zweckgebundenen Widmung von Steueranteilen zum Gro\u00dfteil entstanden ist und die sozio\u00f6konomischen Entwicklungen relativ \u00e4hnlich und miteinander vergleichbar sind. Zudem besch\u00e4ftigt sich ein Teil der Studie mit Italien, dem ersten Land \u00fcberhaupt, in dem das Modell eingef\u00fchrt wurde.
20 Jahre nach Einf\u00fchrung des Modells in Ungarn und zehn Jahre nach der letzten und einzigen vergleichenden Untersuchung ist es aus Sicht der ERSTE Stiftung notwendig geworden, das Modell in Bezug auf sein urspr\u00fcngliches Ziel zu evaluieren. Aus Mangel an Analysen des Modells erschien es erforderlich, dieses Ph\u00e4nomen sowie seine Rolle und Wirkung n\u00e4her zu beleuchten, das ohne st\u00e4ndige Evaluierung und Nachbesserung stagnieren k\u00f6nnte. Ein weiterer Zweck der Studie war der Austausch von Informationen und gewonnenen Erkenntnissen auf internationaler Ebene.<\/p>\t<\/div>\n\n<\/div>\n\n<\/div>\n\t\t\t<\/div>\n\t\t<\/div>\n\t<\/div>\n\n\nSchlussfolgerungen<\/h1>
Quantitativ ist das System im Laufe der Zeit in jeder Hinsicht gewachsen. Was einst eine innovative politische L\u00f6sung war, ist Teil eines gut etablierten Verteilungssystems geworden. Betrachtet man jedoch nur die Eink\u00fcnfte aus der zweckgebundenen Widmung von Steueranteilen im Verh\u00e4ltnis zu den Gesamterl\u00f6sen des gemeinn\u00fctzigen Sektors in den f\u00fcnf zentral- und osteurop\u00e4ischen L\u00e4ndern, so k\u00f6nnte man den Eindruck gewinnen, dass das System vernachl\u00e4ssigbar ist: Nur 2 % des Gesamterl\u00f6ses der NGOs stammen aus diesem Modell. Mithilfe des Systems konnten nicht nur \u00f6ffentliche F\u00f6rdermittel generiert und erh\u00f6ht, sondern auch ein spezielles Klima der Empathie geschaffen und zum Aufbau und zur St\u00e4rkung einer philanthropischen Kultur beigetragen werden. Es trug au\u00dferdem zu einem besseren Verst\u00e4ndnis der Bedeutung von Zivilgesellschaft und Solidarit\u00e4t bei. Kann davon ein Trend in den untersuchten L\u00e4ndern abgeleitet werden? Nehmen wir das Beispiel Ungarn: Einerseits sind private Spenden weiterhin von vorrangiger Bedeutung, andererseits sind auch zweckgebundene Steuern seit Einf\u00fchrung des Systems kontinuierlich gestiegen (Abbildung 10 \u2013 Studie S. 35).<\/p>\t\t\t<\/div>\n\t\t<\/div>\n\t<\/div>\n\n\n\n\t\n\t<\/div>\t
Insgesamt machen etwa 17 Mio. EinzelsteuerzahlerInnen (von 40 Mio. einzelnen Steuerpflichtigen) Gebrauch von diesem Modell. Der Anteil an der Gesamtzahl steuerpflichtiger Personen ist in allen f\u00fcnf L\u00e4ndern besonders in den ersten Jahren nach der Einf\u00fchrung gestiegen (Abbildung 12 \u2013 Studie S. 52).<\/p>\t\t\t<\/div>\n\t\t<\/div>\n\t<\/div>\n\n\n\n\t\n\t<\/div>\t
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Weitere Ergebnisse in der ersten l\u00e4nder\u00fcbergreifenden Studie zu diesem Thema unter www.taxdesignation.org<\/a><\/p>\t\t\t<\/div>\n\t\t<\/div>\n\t<\/div>\n\n\n\u00dcber die Studie<\/h1>
Ein internationales Team von wissenschaftlichen MitarbeiterInnen aus Estland, Italien, Kroatien, Litauen, Mazedonien, Rum\u00e4nien, Serbien, der Slowakischen Republik, der Tschechischen Republik und Ungarn agierte unter der Leitung von Marianna T\u00f6r\u00f6k und Boris Stre\u010dansk\u00fd. Dabei wurde das Thema der Zweckwidmung von Steueranteilen sowohl aus praktischer als auch aus wissenschaftlicher Sicht beleuchtet. Die wissenschaftlichen MitarbeiterInnen stammen aus L\u00e4ndern, die das Modell anwenden, sowie aus solchen, die das nicht tun.
Die vorliegende Forschungsarbeit wurde 2014 vorbereitet und 2015 in f\u00fcnf zentral- und osteurop\u00e4ischen L\u00e4ndern durchgef\u00fchrt, in denen das System der zweckgebundenen Widmung von Steueranteilen zur Anwendung kommt und seit \u00fcber 20 Jahren ein beliebtes Politikinstrument ist in Ungarn, Litauen, Polen, Rum\u00e4nien und in der Slowakischen Republik. Der Schwerpunkt lag dabei auf vier Bereichen: 1) Was ist das System der zweckgebundenen Widmung von Steueranteilen und was nicht? 2) Welche Rolle spielt es bei der Finanzierung des gemeinn\u00fctzigen Sektors? 3) Was sind die Nebeneffekte? 4) Was ist der Zusammenhang zwischen den gesetzten Ma\u00dfnahmen und den Ergebnissen?<\/p>\t\t\t<\/div>\n\t\t<\/div>\n\t<\/div>\n","protected":false},"excerpt":{"rendered":"